Süßenerin hilft im Ahrtal Fluthelfer bringen Hoffnung zurück

Sophia Steinmetz (fünfte von links) reiste in ihre alte Heimat, um den Menschen dort zu helfen. Foto: Susanne Kornatz

Sophia Steinmetz aus Süßen half an fünf Tagen im überschwemmten Ahrtal mit, das Chaos zu beseitigen. Der allgegenwärtige Schlamm, die Berge an Unrat – die Eindrücke lassen die ehemalige Rheinländerin nicht mehr los.

Süßen - Es war wie im Horrorfilm“, sagt Sophia Steinmetz in Erinnerung an die Häuserruinen in Ahrweiler, die sie ohne Fenster und Türen regelrecht anstarrten. Der allgegenwärtige Schlamm, die Berge an Unrat, der unglaubliche Gestank, angeschwemmte Autowracks dort, wo vorher ein Spielplatz war – das alles sind Bilder und Eindrücke, die die 26-Jährige kaum mehr loslassen und von denen sie nachts träumt.

 

Sophia Steinmetz hat im Dorf Rech im Ahrtal und später direkt in Ahrweiler als Freiwillige den Menschen geholfen, die bei dem Hochwasser in der Nacht auf den 15. Juli auf einen Schlag alles verloren haben: ihre Häuser, ihre Möbel, Straßen, Infrastruktur.

Die Süßenerin stammt aus der Nähe von Koblenz, etwa 35 Kilometer von dem Unglücksgebiet entfernt, erst seit zwei Jahren wohnt sie im Filstal. „Ich war so geschockt, als ich von der Katastrophe hörte – und es war keine Frage für mich als Rheinländerin, dort mit anzupacken.“

Viele Menschen mit leerem Blick

Obwohl sie die Bilder aus dem Katastrophengebiet im Fernsehen verfolgt hatte, war Sophia erschüttert, als sie sich selber inmitten der Zerstörung befand. „Es ist in echt viel schlimmer. Dort sind so viele Menschen mit leerem Blick. Sie wissen nicht, wie es weitergeht, haben weder Hoffnung noch eine Perspektive“, schildert sie. Auf der anderen Seite ist die junge Frau aber auch unglaublich beeindruckt von der Hilfsbereitschaft, die sich dort Bahn bricht und auch davon, wie professionell die Hilfe organisiert und strukturiert wird. Sie schildert die Masse an Bauunternehmern, die mit Lastwagen, Baggern, Aggregaten und all den anderen Maschinen, die benötigt werden, aus ganz Deutschland und darüber hinaus kommen. Sie berichtet von Landwirten mit Zugmaschinen und Hängern, von Handwerkern aller Couleur, die Know-how und Maschinen bereitstellen und selber helfen.

Und sie ist begeistert vom „Helfer-Shuttle“, der Organisation, bei der sie sich als private Helferin gemeldet hat. „Das ist der Wahnsinn, die beiden Initiatoren von Helfer-Shuttle bringen jeden Tag zwischen 900 und 2000 Helfer mit VW-Bussen, Mannschaftsbussen oder sogar Linienbussen überall dorthin, wo sie gebraucht werden“, berichtet Sophia. Treffpunkt der Organisation sei im Gewerbegebiet bei Haribo im Ort Grafschaft. Dort könnten Helfer ihr eigenes Fahrzeug parken oder würden vom Bahnhof abgeholt. Die Organisatoren planten Übernachtungen, Essens-Versorgung, Toiletten für die Helfer und koordinierten die Hilfseinsätze, die per Telefon oder übers Internet angefragt würden. „Und sie haben 30 bis 40 Scouts, um wirklich alle Menschen zu finden und niemanden alleine zu lassen – also auch alte Leute, die kein Internet haben oder das Helfer-Shuttle nicht kennen.“

Schlamm, hart wie Beton

An ihrem ersten Helfer-Wochenende am 31. Juli und 1. August wurde Sophia in der Ortschaft Rech eingesetzt. Am Samstag half sie mit anderen Freiwilligen einer Familie, den getrockneten Schlamm aus deren Keller und Garage zu schaffen. „Hart wie Beton“ sei der inzwischen gewesen und nur mit Hilfe von Hochdruckreinigern habe der Dreck mühevoll entfernt werden können. „Der Schlamm ist einfach überall und vor allem ist er extrem krankheitserregend“, hat die ehrenamtliche Helferin vor Ort erfahren. Kein Wunder, bei der Flut wurden fünf Klärwerke zerstört und im angeschwemmten Schlamm und Unrat befanden sich über Tage hinweg neben Klärschlamm und Fäkalien auch Benzin und Heizöl, Kadaver von Tieren und sogar tote Menschen.

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Aus diesem Grund hätten die Organisatoren von „Helfer-Shuttle“ auch großen Wert darauf gelegt, dass alle Helfer in passender Arbeitskleidung und Gummistiefeln, mit Handschuhen und vor allem mit FFP2- oder sogar FFP3-Maske im Einsatz waren. „Die waren nach drei Stunden Arbeit außen und innen kohlrabenschwarz von all dem Staub, der durch den trockenen Schlamm in der Luft war.“ Sophia nahm sich einen zusätzlichen Tag Urlaub, um auch am Mittwoch zu helfen und am darauffolgenden Wochenende noch einmal. Sie schleppte – bei unterschiedlichen Betroffenen – eimerweise abgehauenen Putz auf die Straße, wo er abgeholt wurde. Sie zog Tapeten von Wänden, Fliesen von Badezimmern, sägte mit der Kettensäge zerstörte Dielenböden in kleine Stücke, bevor sie die Dielen mit dem Brecheisen herausriss. Sie kratzte Schimmel von Wänden, entfernte verschimmelte Glaswolle und benutzte am zweiten Wochenende selber einen Elektro-Stemmhammer, um verschlammten, aufgeplatzten Putz von Häuserwänden zu schlagen. In einem Mehrfamilienhaus half sie dabei, die beiden Wohnungen im Erdgeschoss zu entkernen. „Der Eigentümer weiß bis heute nicht, wo seine Mieter sind. Beide Parteien sind einfach weg.“

Bei einem Betroffenen angerufen

Ihre Augen werden rot vor unterdrückten Tränen, als sie daran denkt. Und auch, als sie von dem „älteren Mann“ erzählt, der drei Wochen lang gewartet hatte, dass ein Ansprechpartner seiner Versicherung auftauchte. „Die Versicherung hat ihm gesagt, er darf nichts machen, bis sie da war – aber dann hat er es nicht mehr ausgehalten und war so froh, dass wir ihm halfen.“

„Jetzt ist er wieder zuversichtlicher“, berichtet Sophia Steinmetz nach einem Anruf bei dem Mann und sie erklärt strahlend: „Ich glaube, das ist die größte Hilfe der freiwilligen Helfer: dass sie den Betroffenen wieder Hoffnung bringen.“

Das „Helfer-Shuttle“ koordiniert die Hilfe

Aufbauhilfe
 Marc und Thomas sind laut „helfer-shuttle.de“ zwei Ahrtaler Unternehmer, die ihre Heimat lieben und sie wieder aufbauen wollen. Sie haben mit „Helfer-Shuttle“ innerhalb kurzer Zeit eine Initiative gegründet, die Hilfesuchende und Helfer zusammenbringt und auch die Infrastruktur dafür zur Verfügung stellt.

Kontakt
Auf ihrer Homepage „helfer-shuttle.de“ sind Telefonnummer und Social-Media-Kontaktadressen, auf der sich sowohl Helfer als auch Hilfesuchende melden können. Die Organisatoren von „Helfer-Shuttle“ legten Wert darauf, dass alle Helfer in passender Arbeitskleidung, mit Handschuhen und mit FFP2- oder sogar FFP3-Maske im Einsatz waren. Die beiden Initiatoren bringen jeden Tag zwischen 900 und 2000 Helfer zu ihren Einsatzorten.

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