Der Streit um einen der renommiertesten deutschen Verlage geht in die nächste Runde: Der Suhrkamp-Verlag hat Insolvenz angemeldet. Ist dies das Ende eines Traditionshauses – oder ein Neubeginn?

Berlin - Der Streit um einen der renommiertesten deutschen Verlage geht in die nächste Runde. Die zuständige Richterin Mechthild Wenzel vom Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hat am Mittwoch bestätigt, dass sie am Dienstagsabend das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Suhrkamp Kommanditgesellschaft eröffnet habe. Ist der Suhrkamp Verlag nun pleite? Die Nachricht von der Insolvenz, die sich am Mittwoch in Windeseile verbreitete, gleicht jedenfalls einem Hammerschlag vor den Kopf – aber eine Überraschung ist sie nicht. Sie ist vielmehr die logische Konsequenz des Ende Mai beantragten Schutzschirmverfahrens, das dem Verlag bis zu drei Monate Zeit einräumt, seine Angelegenheiten zu regeln. Dies ist aber auch das Einzige, was bei diesem juristischen Verfahren mit Logik noch zu begreifen ist.

 

Denn der vermeintliche Angreifer und Zerstörer des Verlages, der Minderheitengesellschafter Hans Barlach, versuchte bis zuletzt den Verlag vor eben diesem Insolvenzverfahren zu bewahren, während ausgerechnet die Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz mit allen Mitteln ihren Verlag in die Insolvenz steuern wollte. Selbstenthauptung als Rettungsversuch? Das Ganze ist ein Drama von wahrhaft Kleist’schen Ausmaßen. Sieben lange Jahre währt inzwischen dieser Streit zwischen den beiden Kontrahenten, der mit allen nur erdenklichen Mitteln ausgefochten wird – zum Schaden des Verlages, dessen Energie davon erheblich absorbiert wird.

Wie geht es weiter? In der Regel übernimmt ein vom Gericht bestimmter Insolvenzverwalter die Geschäftsführung, doch in diesem Fall wird Suhrkamp dank des erst 2012 veränderten Insolvenzrechtes das Verfahren in Eigenverantwortung durchführen. Der vom Gericht im Mai vorläufig eingesetzte Sachwalter, Rolf Rattunde legte bereits ein Gutachten sowie einen Insolvenzplan vor. Diesem Plan müssen dann die Gläubiger zustimmen, das heißt die Autoren, Auslieferer und Mitarbeiter.

Entlassungen sieht der Insolvenzplan nicht vor

Durch diesen geschickten Schachzug werden neue Abstimmungsverhältnisse geschaffen, denn es ist anzunehmen, dass die Autoren und vor allem Mitarbeiter sich in großer Mehrheit hinter Ulla Unseld-Berkéwicz scharen werden. Entlassungen sieht der Insolvenzplan ausdrücklich nicht vor. Warum auch? Der Verlag steht nach den Stürmen, die der Tod von Siegfried Unseld 2002 auslöste, und seinem Umzug nach Berlin 2009 wieder gut da. Im Grunde werden hier missbräuchlich die Gerichte in einen Kleinkrieg hineingezogen, bei dem die Zahlungsunfähigkeit des Verlages lediglich auf dem Papier existiert.

Ausgelöst hat diese unwürdige Posse Hans Barlach, als er die Auszahlung der Gewinne einforderte, die durch den Verkauf des ehemaligen Frankfurter Geschäftssitzes im Jahr 2010 entstanden. Eine billige Retourkutsche damals. Werden dem einen Gesellschafter Gewinne ausgezahlt, dürfen sie dem anderen – also der Unseld-Familienstiftung – nicht verweigert werden, selbst wenn sie diese gar nicht einfordern würde. Nur dadurch entstand die Zahlungsunfähigkeit – auf dem Papier. In der Chronologie des Streites muss dies als Pyrrhussieg Nummer eins verbucht werden.

Der Insolvenzplan sieht vor, dass zum einen der Insel Verlag in eine Tochtergesellschaft sowie der gesamten Suhrkamp   Verlag in eine Aktiengesellschaft verwandelt wird. Damit will man Hans Barlach erfolgreich aus dem Verlagsgeschäft herauskegeln. Enteignen kann man ihn aber nicht. Die 39 Prozent der Anteile bleiben ihm auch in einer AG.

Aus dem Königsdrama droht ein Fortsetzungsroman zu werden

Dies ist überhaupt die Stunde der Insolvenzrechtler unter den Feuilletonisten, die sich in allen möglichen Winkelzügen gegenseitig überbieten. Denn womöglich erringt Ulla Unseld-Berkéwicz mit der Verwandlung des Verlages in eine Aktiengesellschaft lediglich nun auf ihrer Seite einen Pyrrhussieg. Das wäre dann Pyrrhussieg Nummer zwei.

Denn es hat gute Gründe, dass Verlage in dieser Größenordnung von Verlegerpersönlichkeiten und nicht von einem durch den Aufsichtsrat kontrollierten Vorstand geführt werden. Die aktuellen Streitigkeiten mit einem Teilhaber könnten sich so am Ende vervielfachen. Für den Eichborn Verlag war zum Beispiel der Versuch, ihn in eine Aktiengesellschaft zu verwandeln, der Anfang seines Endes. Heute ist er nur noch Anhängsel der Bastei-Lübbe-Gruppe.

Dem Berlin Verlag tat es ebenfalls nicht gut, dass er Teil der Bonnier AG wurde. Und die Bertelsmann AG ist sowieso angesichts ihrer Größe auf einem ganz anderen Level angesiedelt. Aus dem anfänglichen Königsdrama droht ein endloser Fortsetzungsroman im Groschenheftformat zu werden, dessen Ende irgendwann niemanden mehr interessieren wird. Oder weiß irgendjemand heute noch, wer den Hundertjährigen Krieg gewonnen hat?