Die Discothek Belinda macht Ende des Jahres dicht. 1970 hat Georg Neumann den Schuppen eröffnet. Der heute 60-Jährige hat jedoch Streit mit dem Pächter seines benachbarten Brauhauses und sucht einen Investor.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Sulzbach - Der Entschluss steht. Georg Neumann will nicht mehr, er gibt auf. Viele Rockfans aus Sulzbach und der weiteren Umgebung können es kaum glauben: die K ult-Dicothek Belinda schließt Ende des Jahres. Bei einer großen Silvester-Abschlussparty bittet der 60-jährige Rockopa, der den Schuppen im Jahr 1970 gemeinsam mit seinen Eltern eröffnet hat, zum allerletzten Tanz.

 

Die Belinda ist eine Institution. Viele Gäste der ersten Jahre sind längst Großväter und Großmütter. Im Geburtsjahr der Belinda wurde auch die Rockband Uriah Heep gegründet. Kurz vorher hatten sich Thin Lizzy und Deep Purple formiert, die Gruppen waren damals Newcomer – alles eine gefühlte Ewigkeit her, 43 Jahre. Wenn jetzt Teenies zum Schwofen in der Belinda kämen – was nicht mehr so oft passiere –, dann komme es oft vor, dass die jungen Gäste ihm einen Gruß von ihrem Opa ausrichteten, berichtet Neumann. „Der war früher auch immer hier“, sagten sie dann. Aber bald ist auch das aus und vorbei.

Die beiden Kinder gehen eigene Wege

Vor ein paar Jahren hat Neumann noch erzählt, dass ihn die Arbeit in der Disco jung halte. Doch nach und nach ist ihm ganz offenkundig die Lust vergangen. „Ich bin allein übrig geblieben“, sagt er. Von der Gattin hat er sich getrennt. Und die eigenen Kinder, die später mitgearbeitet hatten, gehen längst eigene Wege. Der Sohn ist Ingenieur und arbeitet bei Porsche, die Tochter studiert. Das Ausgehverhalten der Jugend habe sich arg geändert, sagt Neumann an diesem trüben Nachmittag bei einer Tasse Kaffee im Obergeschoss der Disco. Das beobachte er auch bei der eigenen Tochter. Der Nachwuchs verabrede sich heutzutage fast nur noch spontan. „Die schauen auf Facebook nach, wo eine Party steigt, und ziehen los.“ Stammgäste, die Woche für Woche in ein und die selbe Disco gingen, gebe es immer weniger – leider. Das sei kein Problem, das nur die Belinda betreffe. Viele Kollegen, landauf, landab, berichteten von ähnlichen Schwierigkeiten.

Es gebe sie zwar noch, die Wiederholungstäter, die regelmäßig zum Abtanzen kommen, aber halt zu wenige. Zum Beweis für diese Aussage hat Georg Neumann an diesem Tag zwei hübsche Damen eingeladen: die 28-jährige Nicole Heetveld und die 27-jährige Jasina Beer. Die beiden Freundinnen sind sogenannte VIP-Gäste der Belinda. Mit ihren Ausweisen müssen sie in der Disco keinen Eintritt bezahlen. Mindestens einmal in der Woche sind die zwei tätowierten Rockladys Neumanns Gäste. Oft tanzen sie in der Belinda bis weit nach Mitternacht.

Noch vor ein paar Jahren war der Schuppen oft rappelvoll

Die Zwei wollen noch gar nicht an den kommenden Januar denken. „Uns wird etwas fehlen“, sagt Nicole Heetveld wehmütig. Was sie wohl am ersten Samstag im neuen Jahr tun werde? „Zu Hause sitzen und heulen“, meint Jasina Beer, „oder daheim allein Headbangen“. Nicole Heetveld kommt seit 2002 in die Belinda. Noch vor ein paar Jahren, sagt sie und lächelt, sei der Laden fast immer rappelvoll gewesen.

Wenn Georg Neumann von ganz früher erzählt, dann glänzen seine Augen. Er ist in Sulzbach aufgewachsen. Die Eltern hatten im Jahr 1951 die alte Weinbrennerei und Likörfabrik gepachtet und 1962 dann gekauft. Als die Geschäfte nicht mehr so gut liefen, beschlossen der Vater, der damals schon 60 Jahre alt gewesen ist, und sein 17-jährige Filius Georg in dem Gebäude eine Disco zu eröffnen. Die Dorfdisco war die Sensation im Flecken, eine kleine Revolution in Sulzbach. Schnell sprach sich im weiteren Umkreis herum, dass man in der Belinda super gut abrocken kann. Später wurden Dependancen in Murrhardt und in Lorch eröffnet, die wurden aber längst geschlossen.

Meat Loaf und Status Quo beim Belinda-Open-Air-Konzert

Legendär sind die beiden großen Belinda-Open-Air-Konzerte in der Murrhardter Froschgrube vor fast 25 Jahren. 1990 war Roger Chapman der Headliner, 1991 haben Meat Loaf und Status Quo gespielt. Vor zehn Jahren hatte Neumann eine neue Veranstaltungsreihe gestartet, die „Kultur-Bühne“ lief zunächst ganz gut, wurde aber längst wieder eingestellt.

Wenig Freude bereitet dem Sulzbacher Unternehmer sein Brauhaus, das er 2007 unmittelbar neben der Disco eröffnet hat. Das Gasthaus lief zunächst zwar sogar besser als erwartet. Doch Neumann ging zu blauäugig ans Werk. Das gibt er heute ohne große Ausreden zu und sagt: „Wir sind am Erfolg gescheitert.“ Es gab Tage, an denen mehr als 500 Essen über den Tresen gingen. Neumann erzählt von langen Wartezeiten und schwankender Qualität der Küche, was viele Gäste vergrätz habe. Der Entschluss, das Brauhaus zu verpachten, brachte aber auch nicht den gewünschten Erfolg. Der Pächter behaupte, das renovierte Gebäude habe viele Mängel und habe daher die Pacht radikal gekürzt, so Neumann. Der Streit ist eskaliert. Jetzt steht eine Räumungsklage an, über die demnächst vor dem Landgericht verhandelt wird.

Eine Wiedereröffnung der Kultdisco ist nicht ausgeschlossen

Die Probleme mit dem Brauhaus und die rückläufigen Discobesucher haben Georg Neumann dazu gebracht, einen Schlussstrich zu ziehen. Viele Stammgäste sagen: „Das kannst Du doch nicht machen.“ Neumann sagt, er könne es „nicht nicht machen, obwohl die Belinda mein Leben ist“. Er suche aber einen Partner, der sich finanziell beteigen will, oder einen Investor, der den Rockschuppen und das Brauhaus komplett übernehme. Wenn sich ein passende Partner finde, sagt Neumann zu vorgerückter Stunde, dann könne er sich vorstellen bei einer Wiedereröffnung der Disco mitzumischen. Das wäre ganz bestimmt im Sinne von Nicole Heetveld und Jasina Beer.


Abschlussprogramm
In der Belinda gehen in den letzten Wochen noch ein paar vielversprechende Veranstaltungen über die Bühne. Am 22. November wird ein Konzert der Gruppe Geyers live für ein Album mitgeschnitten. Am 21. Dezember spielt Gitze mit seiner Band. Georg Neumann verhandelt zudem noch mit weiteren regional bekannten Bands.

Öffnungszeiten
Die Belinda liegt direkt an der Sulzbacher Ortsdurchfahrt und ist dienstags, donnerstags, freitags sowie samstags geöffnet.