In der Welt der Superhelden will jeder neue Kämpe größer sein als die Vorgänger. Der 1962 erstmals durch die Comics gekrabbelte Ant-Man macht da nicht mit. Er wird auf Knopfdruck winzig. Damit hat er es jetzt zum Star in einem der schönsten Superheldenfilme überhaupt gebracht.

Stuttgart - Noch der größte Kino– und Comicmuffel weiß, was ein Superheld ist: ein Kerl, der über jedes normalmenschliche Maß hinauswächst und mindestens Bäume ausreißen, wenn nicht ganze Häuserblocks zum Einsturz bringen kann. Insofern hat Scott Lang alias Ant-Man die Verliererkarte gezogen. Seine Superfähigkeit besteht darin, auf die Größe einer Ameise zu schrumpfen.

 

Dieser Gegenentwurf zu den Muskelschwellungen von Hulk, Captain America und Thor machte Ant-Man in Marvels Comic-Universum zum B-Liga-Helden. Sein Job schien vor allem der zu sein, die anderen noch größer wirken zu lassen. Damit wurde er unter Wert gehandelt, denn Ant-Man verkörpert statt des boomkapitalistischen Wachstumsgedankens die Rezessionsangst – beziehungsweise: die Besinnung auf alternative Konzepte.

Genau so geht das

Erstaunlich also, dass Disney es nun wagt, eine hintersinnige, selbstironische Neubewertung des Schwellkörpertraums vorzulegen. „Ant-Man“ ist einer der witzigsten und flottesten Superheldenfilme überhaupt. Er spielt in einer Liga mit Sam Raimis erstem „Spider-Man“ und dem Auftakt der „Iron Man“-Reihe. Da ist zunächst einmal die Erkenntnis, dass in der neuen Welt des effektgetriebnen Blockbusterkinos noch der größte Wahnwitz nicht mehr originell sein kann. Alles ist schon mal dagewesen, auch ein Ameisenmensch.

Der Teilzeitgauner Scott Lang (Paul Rudd) ist nicht der erste Ant-Man. Lange vor ihm gab es einen, der das Kostüm aber in den Schrank gehängt hat. Diesen Forscher und Firmengründer Hank Pym spielt Michael Douglas, der gleich beim ersten Auftritt in der Comicverfilmungswelt ein Handbuch für Nachfolger schreibt: genau so, mit dieser Mischung aus Karikatur, Charaktertiefe und Eskapismusfreude, muss man solche Figuren in solch fantastischen Welten spielen.

Pym war zu seinen aktiven Zeiten kein Machtmensch, aber der neue Firmenboss Darren Cross (Corey Stoll aus „House of Cards“) ist einer. Pym muss sich mit den einst von ihm erfundenen Schrumpfungstechnologien wieder auseinandersetzen, um Cross zu stoppen, und er muss Lang ins Leben als Mini-Wunder einweisen.

Kampf auf der Modelleisenbahn

Selbst das Lederkostüm und der Helm von Ant-Man sind nicht eben Ehrfurcht gebietend. Dieser Held sieht eher aus wie ein Motorroller-Pizzabote, der sich in einer Feinstaubhölle wie Stuttgart die Atemmaske an den Helm geschnallt hat. Von der sorgfältigen Ausstattung über die spritzigen Dialoge bis hin zur Lust an Mega-Action aus neuer Perspektive, also dem Kampf auf einer Modelleisenbahnplatte etwa, hat der von Peyton Reed inszenierte Film viel mehr mit punktgenau inszenierten großen Komödien und Animationsfilmen wie den „Wallace & Gromit“-Streifen denn mit protzigen Effektorgien zu tun.

Der Humor des Drehbuchautors Eric Wright, der nach Differenzen mit den Produzenten den Regiestuhl im Mai 2014 räumte, ist noch überall zu spüren. Auch wer noch nie einen Superheldenfilm gesehen hat, sollte diesem eine Chance geben.

Ant-Man. USA 2015. Regie: Peyton Reed. Mit Paul Rudd, Michael Douglas, Evangeline Lilly. 117 Minuten. Ab 12 Jahren.