Rund um Stuttgart finden sich viele Superlative. So hängt in der Bönnigheimer Cyriakuskirche eine uralte Darstellung eines Schnapstrinkers.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Stuttgart - Auf den ersten Blick zeigt der Hochaltar in der evangelischen Cyriakuskirche in Bönnigheim (Kreis Ludwigburg) eine altbekannte Szene, wie sie in Tausenden Kirchen dieser Welt hängt. Jesus Christus beim Abendmahl. Fast drei Meter lang ist die Tafel, die Figuren sind aus Lindenholz geschnitzt und mit reichlich Blattgold überzogen. Erst der zweite Blick macht stutzig: Es sind 13 Jünger, nicht zwölf.

 

Doch nicht nur das ist ungewöhnlich, sie tragen auch längliche, fast clowneske Schuhe, nur Jesus ist barfuß. Der Tisch ist nicht nur mit Brot und Wein gedeckt, auf den Tellern liegen auch Brötchen, Fleischknochen und Schinken. Ein Jünger hält einen anderen am Heiligenschein fest - offenbar, weil dieser ihm seinen Weinbecher klauen will. "Der Künstler muss Humor gehabt haben", sagt Kurt Sartorius dazu. Und dann gibt es noch den Mann am linken Ende der Tafel. Recht verschämt scheint er sich von Jesus abzuwenden und führt eine pilzförmige Flasche zu seinem Mund.

Wer den Hochaltar geschaffen hat, ist unklar

Sartorius hat sich mit dem wertvollen Hochaltar beschäftigt wie kein Zweiter, hat ihn studiert, analysiert und interpretiert. Der 62-Jährige leitet die Historische Gesellschaft in Bönnigheim und das dort beheimatete Schwäbische Schnapsmuseum. Er hat auf alle Fragen, die das Kunstwerk aus dem 15. Jahrhundert aufwirft, eine Antwort. Nur wer den Hochaltar geschaffen hat, ist unklar. "Es ist eine sehr zeitgenössische Darstellung", sagt Sartorius. Mit gotischen Schuhen, Bechern und Speisen aus dieser Zeit. Dass 13 Jünger am Tisch sitzen, erklärt er mit dem weit verbreiteten Aberglauben, die 13 sei eine Unglückszahl. "Mit Jesus sitzen 14 Personen am Tisch - das war besser."

Der Jünger mit der Flasche? Ist ein Schnapstrinker, sagt Sartorius. Vor zehn Jahren hat der Hobbyhistoriker im Bönnigheimer Stadtpark die Reste eines ähnlich aussehenden Gefäßes ausgegraben: mit der gleichen Auswölbung in der Mitte. Es handelt sich um eine sogenannte doppelkonische Flasche, wie sie um 1500 im süddeutschen Raum in Mode war - was wohl der Grund ist, warum sie auf der Tafel in der Kirche abgebildet ist. "In der Forschung ist unbestritten, dass doppelkonische Flaschen zum Schnapstrinken verwendet wurden", erklärt Sartorius. "Das beweisen unter anderem erhaltene Rechnungen von Glashütten aus dem 15. Jahrhundert." Was nicht bedeute, dass der Jünger ein Alkoholproblem hatte. "Wahrscheinlich war Branntwein in der Flasche, der damals als kostbare Medizin galt."

Bauersfrau soll 53 Kinder zur Welt gebracht haben

Sartorius hat Vorträge gehalten und Aufsätze in Fachzeitschriften über den Hochaltar veröffentlicht. Sein Fazit: bislang sei in Süddeutschland keine ältere Darstellung eines Schnapstrinkers bekannt.

Auch andere Teile des Inventars der im 14. Jahrhundert erbauten Cyriakuskirche sind spektakulär. Unter einer Empore hängt das berühmte Tafelbild der Barbara Schmotzerin. Die Bauersfrau aus Bönnigheim soll 53 Kinder zur Welt gebracht haben. "Mediziner gehen heute davon aus, dass die Geschichte authentisch ist", sagt Sartorius. Vermutlich habe die Frau eine doppelte Gebärmutter gehabt.

Einen Superlativ für die Ewigkeit stellte sie damit allerdings nicht auf. Eine Mutter aus Russland soll im 18. Jahrhundert nämlich sogar 69 Nachkommen geboren haben. Die Geschichte der Schmotzerin in Bönnigheim wiederum endete trotz ihrer vielen Kinder tragisch: Alle ihre Nachkommen starben früh, heißt es in ihrem Lebensbericht. Im Jahr 1503 starb die Frau - allein und kinderlos.