Eine Traube probieren, Verpackungen öffnen, in einer Zeitschrift blättern. Hier könnte es ein Hausverbot, eine Anzeige wegen Diebstahls, aber auch ein freundliches Nicken geben. Doch was ist wirklich verboten und was erlaubt?

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Diese Fälle kennen wohl alle Supermarktkunden: Da probiert sich einer durch die Obstauslage, einer anderen fällt vor Schreck die Sektflasche aus der Hand, ein anderer kippt an der Kasse den Beutel voll Münzgeld aus. Manches ist nervig, manches skurril. Doch was dürfen Supermarktkunden eigentlich? Und was wird gar mit einem Hausverbot oder mit einer Anzeige bestraft? Die zehn wichtigsten Fälle aus dem Einkaufsalltag.

 

Darf ich eine Traube im Supermarkt probieren, um die Qualität des Obsts zu testen?

Nein. „Rechtlich betrachtet ist das Diebstahl. Der Supermarkt ist noch der Eigentümer – die Ware wechselt erst an der Kasse den Eigentümer“, sagt Matthias Nau, Fachanwalt für Arbeits- und Verkehrsrecht der Kanzlei Rechtsanwälte NAU Rechtsanwälte in Kirchheim/Teck. Wenn man dem Kunden eine Kaufabsicht unterstellt, also er die Ware schon abgewogen und in den Einkaufskorb gelegt hat, sehe es etwas besser aus, so Nau. „In der Regel sind die Ladenbesitzer kulant. Aber sie könnten auch darauf bestehen, dass die Traube bezahlt wird und dürften auch ein Hausverbot erteilen.“

Gilt der Preis auf der Ware oder der Preis, der an der Kasse angezeigt wird?

Diese Situation kennen viele: Da werden die Heidelbeeren in der Frischetheke erstaunlich günstig etikettiert, doch im Kassendisplay sind sie viel teurer. Beschwerden helfen nichts – der Preis, der an der Kasse angezeigt wird, zählt. „Der Kauf findet an der Kasse statt – und dort geschieht (juristisch gesehen) auch erst die Vereinbarung über den Preis. Die Angaben im Supermarkt dagegen sind nicht verbindlich“, heißt es auf der Webseite der Verbraucherzentralen. Die Verbraucherschützer betonen, dass die Kunden nicht dazu verpflichtet sind, die Ware zu dem geänderten Preis zu kaufen: „Achten Sie also darauf, welche Preise beim Scannen auf der Kassen-Anzeige erscheinen.“

Supermarktbon Foto: imago

Darf ich sonntags auf dem Supermarkt-Parkplatz parken?

Auch wenn eine Fläche leerer Stellplätze verlockend erscheint – sonntags sollte man auf die Parkgelegenheit vor dem Supermarkt verzichten. „Das Parken ist grundsätzlich nur für Kunden während der Geschäftszeit erlaubt. Außerdem dürfen die Betreiber die Parkzeit begrenzen“, sagt Verkehrsrechtler Nau. In der Regel zeigen die Modalitäten Schilder an der Einfahrt oder an den Stellplätzen an. Vorsicht: Auch wenn es sich bei dem Supermarktplatz um ein Privatgrundstück handelt, gilt die öffentliche Verkehrsordnung. Wenn der Vater sonntagabends seinem 18-jährigen Sohn eine kostenlose Fahrstunde gibt, macht er sich strafbar. „Das wäre dann Fahren ohne Fahrerlaubnis im öffentlichen Raum“, so Nau.

Muss ich Ware, die mir herunterfällt und kaputtgeht, bezahlen?

Prinzipiell ja. Denn auch hier ist der Händler noch Eigentümer und könnte Geld verlangen. Oft wird aber aus Kulanz darauf verzichtet. „Aber das kommt auch auf die Schadenshöhe an“, sagt Rechtsanwalt Nau. „Wenn ein Becher Joghurt herunterfällt, ist es etwas anderes als bei einer teuren Flasche Champagner.“

Wenn ein Kind etwas kaputtmacht, gelten Sonderregeln, betont Nau. Unter sieben Jahren hafte ein Kind nie. Bei älteren Kindern komme es auf die Einsichtsfähigkeit an. „Maßgeblich ist insoweit, ob das Kind die hinreichende geistige Entwicklung hat, um das Unrecht seines Handelns sowie seine Verantwortung für sein Tun erkennen zu können.“

Bei zerbrochenen Champagnerflaschen könnte die Kulanz aufhören.

Wie lange kann ich einen Pfandbon einlösen?

Endlich die vielen Pfandflaschen in den Leergutautomaten gegeben – und dann hat man nach dem Einkauf den Bon noch immer in der Hosentasche stecken. Sich nochmals an die lange Schlange an Kasse stellen?

Das kann man auch mit dem nächsten Einkauf verbinden. Pfandbons sind noch drei Jahre nach Ablauf des Jahres gültig, in dem man sie erhalten hat, heißt es bei den Verbraucherzentralen. Der Bon vom 10. Februar 2023 lässt sich also noch bis zum 31. Dezember 2026 zu Geld machen. Das gilt allerdings nur für die Filiale, in der man den Pfandbon bekommen hat.

Darf ich eine Verpackung öffnen, ohne das Produkt anschließend zu kaufen?

Kartons von Eiern oder Aktionsware dürfen Kunden öffnen, wenn weder Inhalt noch Verpackung zu Schaden kommen, sagen die Rechtsexperten von Stiftung Warentest. Das gelte selbst dann, wenn die Warnhinweise behaupteten: „Öffnen verpflichtet zum Kauf.“ Wichtig sei jedoch, dass Verpackungen behutsam aufzumachen und wieder zu verschließen. „Wer allzu rabiat an den Kartonagen reißt und den Inhalt beschädigt, muss das Produkt bezahlen. Geht nur die Packung kaputt, hat der Kunde lediglich für diesen Schaden aufzukommen“, heißt es auf der Test-Webseite.

Der Kunde darf nach Belieben in Eierpackungen schauen, ob noch alle Eier unversehrt sind oder am Shampoo riechen – verschweißte Waren sollte er allerdings nicht öffnen. Auch das Öffnen von Honig- oder Marmeladengläsern ist verboten.

Der Blick in die Eierpackung ist erlaubt. Foto: imago

Wie lange müssen Angebote vorrätig sein?

Der aktuelle Supermarktprospekt vom Montag preist Dutzende Sonderangebote für die Einkaufswoche an. Doch schon am Nachmittag ist ausgerechnet die ausgeguckte Ware nicht mehr da. Ist das legitim? Laut dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb müssen Waren des täglichen Bedarfs aus einem Prospekt für einen „angemessenen Zeitraum“ vorrätig sein, heißt es bei den Verbraucherzentralen. Dieser sei aber Auslegungssache.

Einen Hinweis gibt ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe. Dieser hat 2011 entschieden, dass Lidl nicht mehr für Lebensmittel werben darf, wenn diese Produkte nicht zumindest am ersten Geltungstag vorgehalten werden. Computerprodukte darf der Discounter nur bewerben, wenn die Waren am ersten Geltungstag bis 14 Uhr zu kaufen sind.

Darf ich Einkäufe in der eigenen Tasche zur Kasse transportieren?

Nein, denn dafür sind Einkaufwagen und -körbe da. Stecken Kunden Produkte in die eigene Tasche oder in den Rucksack, ist das rein rechtlich Diebstahl. Schließlich ist dann nicht ersichtlich, ob der Kunde die Ware noch bezahlen will. „Der Ladeninhaber hätte keine tatsächliche Sachherrschaft mehr über die Sachen“, erklären die Rechtsexperten von Ergo. Geschweige, wo sich die Ware eigentlich befindet. Mit dem Einkaufswagen sollte man im Übrigen nicht das Supermarkt-Gelände verlassen – auch wenn das eigene Zuhause nur 30 Meter um die Ecke liegt. Auch das ist Diebstahl: Der Euro im Einkaufswagen berechtigt zur Ausleihe, bleibt aber dennoch Eigentum des Supermarkts.

Wer Waren in der eigenen Tasche zur Kasse transportiert, wird rein rechtlich zum Dieb. Foto: dpa

Darf ich in Zeitschriften blättern, ohne sie zu kaufen?

Das ist eine Grauzone. Wenn es nicht ausdrücklich durch ein Schild verboten ist, dürfen sich die Kundinnen und Kunden einen Überblick verschaffen und die Ware prüfen. Allzu lange sollte es aber nicht sein, meint Fachanwalt Nau. „Und wenn man die Zeitung beim Probelesen beschädigt und sie damit unverkäuflich würde, müsste man sie auch kaufen.“

Darf ich alles mit Kleingeld bezahlen?

Auch wenn es verlockend erscheint, an der Supermarktkasse endlich mal das Münzchaos im Geldbeutel loszuwerden: Die Zahlung mit Kupfergeld ist begrenzt. Zum einen ist es im Münzgesetz geregelt, dass niemand verpflichtet ist, mehr als fünfzig Münzen anzunehmen. Die Rechtsexperten der Ergo-Versicherung weisen darauf hin, dass auch schon kleinere Münzmengen abgelehnt werden könnten. „Nicht selten haben Läden in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegt, dass Centstücke beispielsweise nur bis zu einem Betrag von fünf Euro angenommen werden“, heißt es. „Rein rechtlich ist jedes Geschäft berechtigt, die Annahme von Bargeld auch ganz zu verweigern. Dann muss es den Kunden aber deutlich und rechtzeitig darauf hinweisen.“

Theoretisch können Kunden mit bis zu 50 Münzen bezahlen.

Nicht nur das letzte Beispiel zeigt, dass ein Supermarkt-Einkauf Überraschungen bieten kann. Was rechtlich erlaubt und was verboten ist, zählt nicht immer. Am Ende kommt es auf die Kulanz oder ein Lächeln im richtigen Moment an.