Nach einer wahren Justizschlacht hat Wikileaks-Gründer Julian Assange den Kampf gegen seine Auslieferung nach Schweden zunächst verloren. Eine letzte gerichtliche Instanz stünde ihm noch offen.

London - Nach eineinhalbjähriger Justizschlacht hat Wikileaks-Gründer Julian Assange den Kampf gegen seine Auslieferung nach Schweden vor britischen Gerichten zunächst verloren. Das höchste Gericht in London entschied am Mittwoch, der schwedische Haftbefehl gegen Assange wegen Sexualstraftaten sei rechtens, er könne ausgeliefert werden.

 

Allerdings wurde den Assange-Anwälten eine Frist von 14 Tagen eingeräumt - ein Novum seit Gründung des Supreme Courts im Jahr 2009. Binnen dieser Frist können sie beantragen, das Verfahren neu aufzurollen. Die Assange-Seite kündigte an, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen. „Wir werden den Gerichtshof bitten, das noch einmal zu überdenken“, sagte Anwältin Gareth Peirce. Bis dahin erlangt die Entscheidung zunächst keine Rechtskraft.

Vom 13. Juni an tritt eine weitere Frist von zehn Tagen in Kraft, innerhalb derer Assange ausgeliefert werden kann. In dieser Zeit hat er aber wiederum die Möglichkeit, zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach Straßburg zu ziehen. Ob die Auslieferung in diesem Fall dennoch stattfinden - wie von der schwedischen Justiz gewünscht - oder bis zu einer Entscheidung in Straßburg ausgesetzt würde - war zunächst unklar.

Assange steckte im Stau

Assange selbst war bei der Verkündung der Entscheidung am Mittwoch nicht im Gericht. Er stecke im Stau, hieß es von seinen Rechtsbeiständen. Er wird verdächtigt, im Sommer 2010 in Schweden zwei Frauen missbraucht und vergewaltigt zu haben. Assange wurde bereits vor eineinhalb Jahren in Großbritannien festgenommen und lebt dort unter strengen Auflagen. Eine Anklage gegen ihn gibt es in Schweden bisher nicht. Assange verdächtigt deshalb die USA, hinter den Vorwürfen gegen ihn zu stecken. Seine Enthüllungsplattform Wikileaks hatte mit Depeschen über die Kriege im Irak und Afghanistan vor allem die US-Regierung in Bedrängnis gebracht.

Die Anwälte von Assange argumentieren, der Supreme Court habe sich bei seiner Entscheidung auf Fakten gestützt, die in der mündlichen Anhörung im Februar nicht erörtert worden seien. Unter anderem gehe es um die Auslegung des Begriffes „judicial authority“ („juristische Autorität“). Im englischen Sprachgebrauch sei damit eindeutig ein Gericht gemeint. Der Supreme Court vertrat jedoch mehrheitlich die Ansicht, international könne dies auch eine Staatsanwaltschaft beinhalten. Dieses Detail habe bei der Anhörung im Februar keine Rolle gespielt, so dass sich keine der beiden Prozessparteien damit habe auseinandersetzen können.

Auslieferung in zehn Tagen verlangt

Vor dem Supreme Court war es um die Frage gegangen, ob ein von der Staatsanwaltschaft in Schweden ausgestellter EU-weiter Haftbefehl in Großbritannien Gültigkeit besitzt. Im Vereinigten Königreich muss ein Haftbefehl von einem Gericht ausgestellt werden. Fünf der sieben Richter des Supreme Court vertraten die Ansicht, dass für einen EU-weiten Haftbefehl auch die Unterschrift eines Staatsanwaltes ausreicht. Die im EU-Recht verankerte Formulierung „juristische Behörde“ sei frei auszulegen.

Die Staatsanwaltschaft im schwedischen Göteborg verlangte am Mittwoch nochmals mit Nachdruck die Auslieferung von Assange innerhalb von zehn Tagen nach der endgültigen Entscheidung in Großbritannien. Sollten die britischen Behörden dem folgen, hieße das, dass Assange eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte von Schweden aus erheben müsste. „Es kann noch etwas dauern, aber am Ende wird Assange an Schweden ausgeliefert werden“, sagte Claes Borgström, Anwalt der beiden Frauen, die Assange die Erzwingung von ungeschütztem Sex gegen ihren Willen vorwerfen.