Das ablehnende Urteil der Gesundheitsbehörden lässt das 93 000 Euro teure Gutachten für die Neckarwelle als überflüssig erscheinen. Auch ein Vorstandsmitglied war ein Auftragnehmer.

Stuttgart - Der Gemeinderat hat dem Verein Neckarwelle 93 000 Euro aus dem Sportetat für eine Studie gewährt, deren Sinnhaftigkeit hinterfragt gehört. Der Nachweis der technischen Machbarkeit einer Barriere im Neckar-Seitenkanal in Untertürkheim, um eine Flusswelle für Surfer und Kajakfahrer zu erzeugen, erscheint jedenfalls überflüssig, da die geringe Wassergüte ein K. o.-Kriterium für eine wasserhaushaltsrechtliche Genehmigung darstellt. Das Landesgesundheitsamt hat das zuständige Umweltreferat in seiner Skepsis auf dem kleinen Dienstweg bestätigt: Jens Fleischer schrieb, es müsse „weiterhin entschieden von Freizeitaktivitäten im Neckar abgeraten werden, insbesondere vom Baden und anderen Aktivitäten, bei denen untergetaucht wird und die Gefahr besteht, dass Wasser verschluckt wird“.

 

3000 Euro für ein Verkehrs-“Gutachten

Der gewährte Zuschuss basierte auf Schätzungen des Vereins Neckarwelle: 10 000 Euro für die umwelt- und naturschutzrechtliche Ersteinschätzung, 5000 Euro für Geotechnik und Baugrunduntersuchung, 40 000 Euro für die Objektvorplanung, 6800 Euro für Unvorhergesehenes, 3740 Euro für Nebenkosten und 14 929 Euro Mehrwertsteuer. Allein 3000 Euro waren für ein Verkehrsgutachten kalkuliert. Ergebnis: die Sportstätte beim Inselbad wäre gut mit dem ÖPNV erreichbar, ein bis zwei Stellplätze genügten, der kombinierte Geh-/Radweg sei zu schmal, insbesondere, wenn sich dort dann Zuschauer aufhielten. Die Zusammenfassung dieses Kapitels in der Studie umfasst denn auch nur 255 Wörter. Es stellt sich die Frage, warum man nicht einfach die Untertürkheimer Bezirksvorsteherin oder das Tiefbauamt gefragt hat.

Der Kostenvoranschlag sei auf Plausibilität geprüft worden, erklärt das Sportamt. Der Verein habe der Stadt bekannte, „auf die Thematik spezialisierte und hoch qualifizierte Planer ausgewählt. Dazu gehört auch das Büro von Herrn Bauer.“ Was das Sportamt damit meint: Der Auftrag für die mit 40 000 Euro angesetzte Objektplanung ging unter anderem an das Büro des Neckarwellen-Vorstandsmitglieds Matthias Bauer. So zahlt sich ehrenamtliches Engagement aus. Der Verein erbringe aber durchaus noch „vielseitige Koordinations- und Steuerungsleistungen selbst“, beeilt sich die Stadt festzustellen.

Ordnungsbürgermeister Schairer warnte

Das Projekt war im Bürgerhaushalt erfolgreich. Ein gutes Marketing und die Zustimmung in den Ausschüssen ließen die Erwartungshaltung steigen. Dabei hatte Bürgermeister Martin Schairer (CDU) vor Euphorie gewarnt. Es müssten „schwierigste Fragen der Genehmigungsfähigkeit geklärt werden“, betonte er in den Ausschüssen. Tatsächlich zeigt das Ergebnis von Wasserproben laut Gesundheitsamt „ein für den Neckar typisches mikrobiologisches Bild mit anhaltender fäkaler Belastung“. Spitzenwerte würden nach starkem Regen und Einleitungen aus Kläranlagen oder Regenüberlaufbecken gemessen.

Den nach der Badegewässerverordnung maximal tolerierbaren Wert für die Durchfall und Darmentzündungen auslösenden Coli-Bakterien überschreite der Neckar im Mittel um das Doppelte. Der Spitzenwert für Enterokokken, das sind Harnwegsinfekte auslösende Bakterien, werde im Mittel nahezu ständig erreicht.

Weniger Hitze – schlechtere Wasserqualität

Die Spitzenwerte zweier Proben von 18 im Zeitraum vom 2. Juli bis 30. Oktober 2018 überschritten die maximal tolerierbaren Werte für die als Fäkalindikatoren geltenden Coli-Bakterien um das 20-fache, für Enterokokken um das Zehnfache. Die Konzentrationsschwankungen und der Nachweis unter anderem von Noroviren in drei von vier untersuchten Proben untermauerten die Studien zur Belastung von Neckarwasser. Fleischer nimmt an, dass die Belastung zunimmt, sollte es nicht so trocken sein wie bei der Erprobung 2018.

In Nürnberg wurde allerdings eine Welle genehmigt, weil die Wasserqualität der Pegnitz außer acht gelassen wurde. Surfen finde wie Rudern über Wasser statt, heißt es. Bei der berühmten Eisbachwelle in München hat die Stadt die Genehmigung erteilt, weil der kommunale Haftpflichtversicherer das Risiko abdeckt.