Heute startet mit dem „Dorfexperiment“ eine Reihe mit fünf Dokumentarfilmen im SWR. Schade nur, dass der Sender die Filme ins Nachtprogramm verbannt hat.

Stuttgart - Natürlich ist der Südwestrundfunk erst mal zu loben: Bei kaum einem anderen ARD-Sender genießen dokumentarische Formen im Allgemeinen und der Dokumentarfilm im Besonderen einen derart hohen Stellenwert. Konterkariert wird die gute Absicht oftmals durch den Sendeplatz: Nur wenige Menschen dürften bereit sein, nachts um halb zwölf noch einen Film von mindestens sechzig Minuten Länge einzuschalten und bis zum Ende durchzuhalten.

 

Gute Dokumentarfilme aber zeichnen sich gerade dadurch aus, auch und gerade ein Publikum zu fesseln, das sich durch das jeweilige Sujet nicht unmittelbar angesprochen fühlt. Interessante Protagonisten zu finden und sie im Alltag zu beobachten ist noch keine Kunst; eher schon, sie auch zum freimütigen Reden zu bringen. Das ist regelmäßig mehr als bloßes Handwerk.

Die Filme sind regional geprägt

Fünf Filme zeigt SWR Fernsehen in den nächsten Wochen immer montags um 23.30 Uhr. Lässt man mal Douglas Wolfspergers fürs Kino entstandenes und bereits mehrfach gezeigtes biografisches Dokudrama „Der entsorgte Vater“ beiseite, handelt es sich ausnahmslos um fürs Fernsehen entstandene Erstausstrahlungen. Die Filme haben einen stark regional geprägten Charakter, ohne deshalb für Menschen außerhalb des eigentlichen Sendegebiets uninteressant zu sein; Aussteigerkommunen gibt es auch anderswo.

Susanne Bauschs Film „Das Dorfexperiment“, der den heutigen Auftakt macht, zeigt aber auch, auf welch schmalem Grat man als Dokumentarist wandelt: Ihre Chronik des genossenschaftlich organisierten Tempelhofs (Hohenlohe) legt nahe, dass sie sowohl für das Projekt wie auch für die Teilnehmer mindestens eine gewisse Sympathie hegt. Rund ein halbes Jahr lang hat sie eine Familie begleitet, die ihre bürgerliche Existenz hinter sich gelassen hat und Teil dieser „zukunftsfähigen Dorfgemeinschaft“ geworden ist. Gerade bei einem derart langen Zeitraum lässt sich die professionelle Distanz nur schwer aufrechterhalten. Was für die Filmemacherin irgendwann vermutlich selbstverständlich wurde, kann auf neutrale oder skeptische Zuschauer durchaus sektiererisch wirken.

Es wird vor allem gerdedet

Das Porträt der Rechtsanwältin („Ein Fall für Fitik-Yarisan“, 9. Juli) hat ein anderes Manko: Während sich im Aussteigerdorf eine Vielzahl faszinierender Bildmotive fand, wird in diesem Film von Mouhcine El Ghomri vor allem geredet. Reizvoll ist das Thema dennoch, zumal die Juristin an der Schnittstelle zwischen deutschem und türkischem Recht agiert. Hier ist die Gemengelage in erster Lage juristisch diffizil, in dem Film „Ausgerechnet wir!“ (16. Juli) ist sie dagegen emotional anspruchsvoll: Sabine Brands Porträt eines Elternpaares von Drillingen ist dokumentierte Beziehungsarbeit. Vor einigen Jahren hat die Filmemacherin die Familie schon mal besucht („Ausgerechnet ich!“, ARD). Damals ging es vor allem um die Kinder, diesmal steht die Beziehung im Zentrum: Man kann dabei zuschauen, wie die Ehe zerbricht.

Gemessen daran ist Willy Meyers Porträt des Bodenseefischers Stefan Riebel (23. Juli) der reinste Augenschmaus. Natürlich werden auch die schwierigen Bedingungen der Berufsfischerei angesprochen, doch die Kamera schwelgt immer wieder in pittoresken Bodenseebildern, die Musik schafft eine stimmige Untermalung, und der Protagonist ist ein Mann, dem man gern zuhört. Den Abschluss der Rehe bildet „Der entsorge Vater“ (30. Juli), ein berührender Film über Männer, denen die Partnerin nach der Trennung jeden Kontakt zum gemeinsamen Kind verwehrt.