Aus zwei mach’ eins: Das Dritte startet am Donnerstag mit „Kunscht!“ ein neues Kulturmagazin. Immer donnerstags soll am späten Abend über Pop- und Hochkultur berichtet werden. Moderieren wird der Kabarettist Lars Reichow

Stuttgart - Als vor dreißig Jahren Sat 1 und RTL ihren Sendebetrieb aufnahmen, reagierten ARD und ZDF mit der Gründung von Spartenkanälen; auf diese Weise konnten die Hauptprogramme stärker auf Unterhaltung ausgerichtet werden. Kulturelle Sendungen wurden in 3Sat (ab 1984) und Arte (ab 1992) ausgelagert, die Kulturmagazine an den Programmrand gedrängt. Wenn heute um 23.15 Uhr im SWR Fernsehen „Kunscht!“ auf Sendung geht, scheint das zu diesem Trend zu passen, denn für das neue Magazin werden mit „Landesschau KulTour“ und „Nachtkultur“ zwei alte Kulturformate geopfert.

 

Aus Sicht von Martina Zöllner, der Film- und Kulturchefin des Senders, stellt sich der Vorgang allerdings ganz anders dar. Sie beschreibt die Einstellung der etablierten Magazine als natürlichen Prozess und betrachtet die Bündelung als Fortschritt: „Beide sind zuletzt ein bisschen in die Jahre gekommen. Es wurde daher Zeit, eine frischere Ansprache zu versuchen, zumal wir auch den Altersschnitt des SWR-Publikums verjüngen wollen.“

Tatsächlich sprechen die nackten Zahlen eine klare Sprache. „Nachtkultur“ (donnerstags um 23.15 Uhr) hatte 2013 in Baden-Württemberg im Schnitt gerade mal 40 000 Zuschauer, was einem Marktanteil von 2,2 Prozent entsprach (der Senderschnitt des SWR lag bei 6,5 Prozent). Außerdem wurde die Sendung nur 34 mal ausgestrahlt. Zwischendurch ist der Kulturbegriff so stark verwässert worden, dass sich die Sendung zu einer Art Gesellschaftsmagazin wandelte; das änderte sich erst wieder, als Zöllner Kulturchefin wurde.

Die Chefin hofft auf Schlagkraft

Während „Nachtkultur“ das gesamte Sendegebiet des SWR (also auch Rheinland-Pfalz und Saarland) erfasste, beschränkte sich „Landesschau KulTour“ (alle vierzehn Tage samstags um 19.15 Uhr) auf Baden-Württemberg. Das Magazin wurde nicht aus dem Studio moderiert, sondern besuchte Schauplätze im Land und konzentrierte sich mit hohen Gesprächsanteilen schwerpunktmäßig auf aktuelle Ereignisse. Die Sendung hatte 2013 im Schnitt 130 000 Zuschauer (5,4 Prozent).

Von der Zusammenlegung der beiden Etats, die seit Jahren nicht erhöht worden sind, erhofft sich Zöllner „ein schlagkräftiges Magazin, das zuverlässig wöchentlich läuft“ und Hoch- und Popkultur berücksichtigen soll. Ein ehrgeiziges Vorhaben, schließlich interessieren sich Besucher von Rockkonzerten meist nicht für Opern und umgekehrt. Die Kulturchefin geht jedoch von einer ganz anderen Prämisse aus: „Man muss sich vor Augen halten, für wen wir so eine Sendung konzipieren. Selbst wenn sich unsere Zuschauer als kulturaffin begreifen, können wir nicht davon ausgehen, dass sie Leser des Feuilletons der FAZ sind. Das SWR-Fernsehen ist nicht Arte.“

In ihrer langen Zeit als Kulturjournalistin fürs Fernsehen habe sie immer die Position vertreten, dass Kultur nicht in Spartenkanäle verbannt werden dürfe: „Wir produzieren viele Kulturprogramme genuin für Arte, aber das ersetzt nicht die fundierte Kulturberichterstattung in unserem eigenen regionalen Vollprogramm. Hier gilt es, Zuschauer für Kunst und Literatur zu interessieren, die vielleicht nur im Urlaub mal Zeit haben, einen Roman zu lesen, die höchstens mal im Rahmen einer Museumsnacht ins Museum gehen und sich vielleicht lieber ein Musical als eine Oper anschauen.“ Das heiße aber nicht, dass aktuelle Opernpremieren ignoriert würden, im Gegenteil: „Warum soll eine journalistisch fundierte Beschäftigung mit U und E sich ausschließen? Wir wollen kein elitäres Magazin machen, aber wir wollen uns auch nicht anbiedern. Unser Kulturbegriff umfasst auch Bereiche wie Fotografie und Architektur oder Bildungsthemen wie den schulischen Musikunterricht.“

Regionales Selbstbewusstsein

Moderiert wird das „Kunscht“-Magazin von dem Musikkabarettisten Lars Reichow. Zöllner bekennt, sie sei ein Fan seiner „Musikalischen Monatsrevue“ bei SWR 2: „Ich erlebe ihn auch auf der Bühne als jemanden, der nicht nur das politische Geschehen mit großer Emphase kommentiert, sondern auch kulturelle Ereignisse. Diese Beiträge koppelt er gern mit persönlichen Erfahrungen.“ Wenn eine Premiere vorgestellt werde, könne es gut sein, dass Reichow beschreibe, „wie er mit seinem pubertierenden Sohn im Theater war. Diese spezielle und sehr subjektive Tonart wird für die Zuschauer hoffentlich attraktiv sein.“

Bleibt noch der Titel, bei dessen Schöpfung im Hintergrund der Slogan „Wir können alles außer Hochdeutsch“ mitschwang. „Kunscht!“ soll laut Zöllner „unbekümmertes regionales Selbstbewusstsein“ signalisieren: „Wir wollten einen Namen, der auffällt, der lautlich ein kleiner Paukenschlag ist und auch ein wenig selbstironisch, aber nicht despektierlich klingt.“ Der Titel passt übrigens fürs gesamte Sendegebiet: Im Saarland und in Rheinland-Pfalz sagt man ebenfalls „Kunscht!“.

SWR Fernsehen,
Donnerstag, 23.15