Der Entertainer Harald Schmidt moderiert eine Jubiläumsausgabe des SWR-Reiseformats „Expedition in die Heimat“. Er zeigt uns, wo er als Kind seine Gsälzbrote schmierte und heimlich rauchte. Und bei aller Liebe für Stuttgart: Ein paar spitze Hiebe müssen sein.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Im Fernsehen war er Unterwäschevertreter und Kreuzfahrtdirektor. Im Theater gab er den Geist von Hamlets Vater im „Prinz von Dänemark“ und den Haushofmeister in der Oper „Ariadne auf Naxos“. Zuvorderst war er freilich über Jahrzehnte Late-Night-Talker, Satiriker mit jeder Körperzelle und eine Instanz im deutschen Fernsehen. Als Reiseführer aber hat man Harald Schmidt wohl noch nie gesehen. Wieso verwundert es nicht, wenn man feststellt: Auch diesen Job macht er ganz hervorragend?

 

Die Macher der „Expedition in die Heimat“ hatten jedenfalls einen guten Tag, als die Idee entstand, zum zehnjährigen Bestehen des beliebten Reiseformats des SWR Fernsehens für eine Spezialausgabe Harald Schmidt als Moderator zu verpflichten. Die 304. Folge trägt den Titel „Take-over Harald Schmidt“: Der gebürtige Schwabe, der in Köln seine Wahlheimat fand, kehrt für 45 Minuten zurück an die Stätten seiner Kindheit, Jugend und Studienjahre.

Das Orgelspiel beherrscht er noch

Vom ersten Schritt an folgt man ihm neugierig auf seinem Weg durch sein Heimatstädtchen Nürtingen am Rande der Schwäbischen Alb, von dem er sagt: „Ich hab’s eigentlich nie verlassen.“ In Jeans und dunkelblauem Mantel, das Hemd so weiß wie der gepflegte Haarschopf, steuert er seine elterliche Wohnung in der Nürtinger Hermann-Löns-Straße 24 an. „Verdamp lang her“ – BAP liefern die passende musikalische Untermalung. Dann zeigt er mit dem Finger auf die Fensterreihe im oberen Geschoss, dort hätten sie zu fünft gewohnt, die Eltern, der Bruder und die Oma.

Die Bushaltestelle liegt immer noch direkt vor dem Haus. Wenn morgens der Bus kam, hätten er und sein Bruder sich gerade noch die Gsälzbrote geschmiert, erzählt Schmidt, die Mutter brauchte gute Nerven. Und schon spaziert er federnden Schrittes weiter, vorbei an seinem Kindergarten zur Versöhnungskirche. Dort, wie auch in der katholischen St.-Johannes-Evangelist-Kirche erhielt er Orgelunterricht, und natürlich muss er für die Kamera auch jetzt in die Tasten greifen – sieh an, er kann es noch, der Pfarrer singt voller Inbrunst mit.

Der typische Schmidt’sche Ton

Der Zuschauer folgt solchen Szenen gebannt aus zweierlei Gründen: Die persönlichen Erinnerungen und Anekdoten, die der Kultkabarettist freimütig teilt, lassen zum einen hinter dem Promi den Menschen Harald Schmidt durchscheinen. Zum anderen ist da halt dieser typische Schmidt’sche Ton. Knapp und gnadenlos spitz. Die Pointen rutschen ihm beiläufig aus dem Ärmel, zwischendurch schwäbelt er auch mal. Statt auswendig gelernter Moderationssätze, die das Format ansonsten kennzeichnen, gibt’s bei Schmidt satirisch eingefärbte Memorys: Das Altstadtstäffele, auf dem er seiner Schülerliebe einst begegnete, verklärt er zum Weltkulturerbe. Im idyllischen Tiefenbachtal mit der Scheune, hinter der er damals heimlich rauchte, lässt er sich in David-Hamilton-Manier – Zeitlupe und Weichzeichner – mit ausgebreiteten Armen über die Wiesen schwebend filmen.

Das Schauspielhaus war „total zentral“ für sein Leben

Dann chauffiert er sich zum Soundtrack von „Radar Love“ im E-Auto politisch korrekt zur Burgruine Hohenneuffen. Das Product-Placement unterläuft er nonchalant, wenn er sich nicht wie angeblich verabredet schwungvoll aus der Luxuskarosse stemmt, sondern mit sichtlicher Mühe. „Damit bin ich absolut auf der Seite meiner Zuschauerinnen und Zuschauer“ – ein Seitenhieb auf die Altersstruktur des SWR-Publikums.

Mit der Regionalbahn macht sich die Plaudertasche Schmidt schließlich auf nach Stuttgart und zum Schauspielhaus, eine Adresse, die er als „total zentral für mein ganzes Leben“ beschreibt: Hier sei sein Entschluss gefallen, Schauspieler zu werden. Von 1978 bis 1981 absolvierte er eine Ausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst am Urbansplatz.

Ein Hauch von Ehrfurcht

Dass er sich der Landeshauptstadt und insbesondere den Württembergischen Staatstheatern eng verbunden fühlt, ist bekannt. Immer wieder führen ihn seine Wege an den Eckensee. Unter Schauspielintendant Hasko Weber wurde er Ensemblemitglied. 2019 etablierte er mit dem Showformat „Echt Schmidt“ ein Spielplan-Highlight, diesen Herbst versucht er sich in der „Spielplananalyse 22/23“. So schwingt spürbar ein Hauch von Ehrfurcht mit, wenn er durch den Bühneneingang die heiligen Stuttgarter Hallen der Theaterkunst betritt und die Requisiten für die „Maria Stuart“-Inszenierung inspiziert oder im Opernhaus der forschen Bühnenmeisterin seinen Respekt zollt.

Abstecher ins Studentenwohnheim

Die touristischen Besonderheiten des Sendegebiets und deren Protagonisten, um die sich die „Expeditionen in die Heimat“ ansonsten drehen, spielen beim Jubiläumsschmankerl keine große Rolle. In Nürtingen ringt sich der Satiremeister ein paar Allgemeinplätze zur Schönheit des Umlands und der Nähe zu Alb, Bodensee und Allgäu ab. In Stuttgart führt die Expedition des Entertainers auch an eher abseitige Adressen, etwa zu einem Studentenwohnheim, in dem er einst das Zimmer 102 bewohnte.

Stuttgart kriegt doch noch sein Fett weg

Welchen unbändigen Spaß er vor der Kamera hat, vermittelt sich auch bei den Begegnungen, etwa mit einer jungen Frau im Wohnheim, die gerade aus der Dusche kommt, oder mit den beiden älteren Damen aus Sinsheim, die er auf dem Schlossplatz im Café anquatscht. Am Schluss müssen dann doch noch ein paar Hiebe gegen Stuttgart sein. „Ich finde ja am lustigsten, wenn Stuttgarter versuchen, hip zu sein“, spöttelt er. Zum Beispiel, wenn Paare am Samstag in der Markthalle einkauften und sich als Italiener verkleideten. „Es ist schon alles sehr okay, aber hip ist woanders“, sagt er und fügt dann doch wieder versöhnlich hinzu: „Ich bin überhaupt kein Fan von hip.“

Expedition in die Heimat – Take-over Harald Schmidt, SWR Fernsehen, 12. August, 20.15 Uhr. Vorab in der ARD-Mediathek.