Ihren 20. „Tatort“ in zehn Jahren haben Felix Klare und Richy Müller beim SWR-Sommerfestival auf dem Schlossplatz gefeiert. Die Folge „Stillstand“, die am Freitagabend Premiere feierte, wird im September ausgestrahlt.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Seit zehn Jahren spielt er einen Kommissar in Stuttgart – und hat bisher nur wenig von dieser Stadt gewusst. „Meist sind wir nur für wenige Außendrehs hier“, sagt Felix Klare, der Sebastian Bootz aus dem „Tatort“, während der Klare und nicht der Bootz im Neuen Schloss lässig auf der Treppe hockt, die hoch zum Marmorsaal führt, zur feinen Stube des Landes.

 

Draußen ist die Leinwand aufgebaut für die seit Monaten ausverkaufte Premiere der „Tatort“-Folge zum Thema Stau. Drinnen erzählt der 38-jährige Klare, dass ihm drei Monate am Stuttgarter Staatstheater (als Arzt Benrath in Walsers „Ehen in Philippsburg“) die Stadt näher gebracht haben, ja, er versteht Stuttgart jetzt viel besser und weiß, wie die Menschen hier ticken.

Die Idee für diesen „Tatort“ kam dem Autor im Stau

Zu Fuß ist er durch den Schlossgarten gelaufen, hat dabei seinen Text gelernt, ist an Feinstaubalarm-Tagen zum halben Preis Stadtbahn gefahren und hat „als Sensibelchen“ Kopfschmerzen bekommen, wenn dicke Luft herrschte. Als er einen Kollegen auf Halbhöhenlage besuchte, habe er den Dunst gesehen, der über dem Kessel lag. In der Diskussion um Fahrverbote hat sich die Meinung von Klare nach seinen Stuttgart-Wochen verfestigt. „Ich weiß, in einer Stadt, die vom Auto lebt, ist das schwierig“, sagt er, „aber langfristig führt kein Weg an der Beschränkung von Verbrennungsmotoren vorbei.“ Wie gut man ohne Auto in dieser Stadt leben könne, wisse er nun ja.

Würde es weniger Autos geben, hätten wir weniger Staus. Ein nicht grad überraschender Verdacht. Als Autor Dietrich Brüggemann einen für Stuttgart typischen „Tatort“-Stoff suchte, dachte er sofort an den Stau. 88 Minuten der 90-minütigen „Tatort“-Folge „Stillstand“, die weit vor der Ausstrahlung am 10. September in der ARD am Freitagabend auf der Riesenleinwand vor dem Neuen Schloss lief, spielen im Stau auf der Neuen Weinsteige. Alle wollen nach Hause. Doch im Berufsverkehr hängen die Autos auf Deutschlands schönsten Einfallstraße fest, die in eine Großstadt führt.

Die Neue Weinsteige wurde in einer Messehalle in Freiburg nachgebaut

Zwölf Tage lang hat der SWR unter dem Dach der Freiburger Messehalle diese „Tatort“-Folge gedreht. In der badischen Fahrradstadt ist die Neue Weinsteige mit Styropor, Sperrholz und einem Stau aus 30 Autos mit Stuttgarter Kennzeichen aufwendig nachgebaut worden. Werden beim Stop and go Mordgelüste geweckt? Lannert und Bootz suchen den Mörder eines Mädchens, von dem sie nur wissen, dass er auf der Flucht nicht weiterkommt, sondern im Feierabendverkehr festhängt.

Wie reagiert Klare, wenn er im Stau festhängt? Er versucht, ruhig zu bleiben, sagt er und schaltet ein Hörspiel an. Kollege Richy Müller, der zur „Tatort“-Premiere trotz des Pfingstverkehrs fast staufrei vom Chiemsee nach Stuttgart im Porsche gefahren ist („Nur in der Stadt waren Straßen dicht“), erklärt, dass er stets alles tue, um Staus zu umfahren. Zur jüngsten Entscheidung beim VfB, die Profifußballsparte auszugliedern, sagt er: „Dies zeigt deutlich, um was es beim Fußball nur noch geht – ums Geld!“

Dass die Folge „Stillstand“ am 10. September in der ARD läuft, gefällt ihm nicht. Da seien noch Ferien in Bayern und Baden-Württemberg, was für die Zuschauerzahl schlecht sei. Auch wenn ihm die Quote egal sei, wie Richy Müller sagt, ist sie nun mal die Währung im Fernsehgeschäft.

Dass die beiden gut im Geschäft sind, zeigt sich bei dem gewaltigen Andrang am Freitagabend auf dem Schlossplatz. „Ein bisschen komm’ ich mir vor“, sagt Felix Klare lächelnd, „als wär’ich Popstar.“

Der SWR muss die Autogrammkarten einstampfen

Eine Bitte hat er auf seiner Schlosstreppe: Man möge vor seinem Namen nicht immer nur „Tatort“-Kommissar schreiben, sondern „Schauspieler“. Vorstellen kann er sich nicht, nur noch „Tatort“ zu spielen – dafür liebt er die Bühne zu sehr. Die beste Folge im ARD-Krimi war für ihn „Der Preis des Lebens“, bei der es um die Entführung seiner Filmtocher ging. Dies sei schauspielerisch eine große Herausforderung gewesen. „Ich musste nicht nur fragen, wo waren Sie zwischen 16 und 16.30 Uhr“, sagt er.

Wo Klare und Müller am Freitag zwischen 20.30 Uhr und 22 Uhr waren? Auf dem Schlossplatz! Es gibt unzählige Beweis-Selfies! Sie haben dort unentwegt ihre Namen geschrieben – übrigens mit alten Autogrammkarten. Die neuen Autogrammkarten, die der SWR anfertigen ließ, ohne die Bilder vorher seinen „Tatort“-Stars zu zeigen, müssen eingestampft werden. Mit diesen Fotos waren die beiden nämlich ganz und gar nicht einverstanden.