Beim SWR-Symphonieorchester unter Manfred Honecks Leitung ist in Stuttgart der Pianist Jan Lisiecki aufgetreten.

Stuttgart - Der Solist schweigt. In zwei langen Zwischenspielen seines langsamen Mittelsatzes stellt Mozarts Es-Dur-Klavierkonzert KV 482 den Pianisten kalt. Stattdessen spielen erst die Bläser, dann Streicher, Fagott und Flöte allein. Und wie sie spielen! Bei seinem Auftritt am Donnerstag im Beethovensaal beweist das SWR-Symphonieorchester mit traumhaft schönen Passagen, welch exzellente Musiker es in seinen Reihen hat. Allein die weichen, warmen Holzbläserfarben: Zucker! Jan Lisiecki muss warten. Wenn der 25-jährige Kanadier spielen darf, dann tut er das mit viel Klangfarbenzauber und extrem sauberer Technik. Und mit einigem Temperament. Seine Ideen zur Differenzierung von Tempi und Dynamik wirken frisch und direkt. Zuweilen neigt er dazu, zu viel individuell gestalten zu wollen, was Mozart (und auch der Chopin-Zugabe) nicht gut tut. Dann errichtet er gerne mal kleine Staudämme oder Strudel im musikalischen Fluss. Aber das trübt den positiven Gesamteindruck nur wenig.

 

Stärker ins Gewicht fallen die Momente, in denen man spürt, wie heikel das Zusammenspiel bei dieser ziemlich nackten Musik ist. Der ehemalige Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart, Manfred Honeck, meißelt am Pult des SWR-Orchesters die Kontraste auf sehr klare, manchmal fast didaktisch wirkende Weise heraus, formt die Takte nach den traumhaften Solokadenzen des Pianisten zu sanften, gefühlvollen instrumentalen Umarmungen, aber kleine Schwächen bei der Koordination und die zuweilen nachlassende Spannung im Andante belegen, dass den beiden meinungsstarken Kombattanten eine gemeinsame Mozart-Probe mehr nicht geschadet hätte. Das wird sich geben – schließlich führen Honeck und Lisiecki das Konzert bis zum Sonntag in Stuttgart, Freiburg und Mannheim insgesamt sieben Mal auf (vielleicht sollte man am letzten Tag nochmals zuhören).

Strauss’ Alterswerk zwischen Kontrolle und Loslassen

Fast hätte anschließend Manfred Honecks Vorliebe für starke Kontrolle und strenges Strukturieren Richard Strauss’ Streicher-„Metamorphosen“ beschädigt. Aber nach etwas starrem Beginn lässt der Dirigent die Musik stärker los und konzentriert sich mehr auf die klare Gestaltung der emotionalen und dramatischen Höhepunkte. Das Ergebnis ist ein unendliches, dichtes, intensives Singen und Fließen, das sich aus dunklen Streicherfarben erhebt. Als es am Ende, nach grandiosen Steigerungen, wieder ins nur wenig hellere Dunkel hinabsteigt, verharren Dirigent, Musiker und Publikum für Minuten still und starr. Es ist ein Abschied, und es gibt wohl keinen im Saal, der das nicht spürt.