SWR-Symphonieorchester im Beethovensaal Petr Popelka – der Barde am Pult

Dirigent Petr Popelka bei einem Konzert Foto: Imago/CTK Photo//David Tanecek

Beim SWR-Symphonieorchester hat sich ein grandioser Dirigent vorgestellt: der Tscheche Petr Popelka.

Das Programm ist schön, aber nicht spektakulär. Beim Konzert des SWR-Symphonieorchesters im Stuttgarter Beethovensaal gibt’s am Donnerstagabend ausschließlich Romantisches; da ist kein Stachel, kein Stolperstein, auch kein kleiner zeitgenössischer Akzent, der inmitten des Süffigen für Irritation hätte sorgen können oder für das Bewusstsein darum, dass uns heute 150 Jahre von den schönen Klängen trennen.

 

Macht aber nichts, denn am Pult steht ein Mann, der zurzeit zu den gefragtesten Vertretern seiner Zunft gehört: der Tscheche Petr Popelka, im Erststudium Kontrabassist, zurzeit Chefdirigent des Radio-Symphonieorchesters Prag und der Wiener Symphoniker. Dabei ist die Strategie des 38-Jährigen schlicht und einfach: Er hat einen Plan. Popelka weiß genau, was er will. Dazu gehört Genauigkeit. Und ein ausgeprägtes Gefühl für Balance. Bei ihm stehen die wiederholten Paukenschläge zu Beginn von Brahms’ erster Sinfonie dynamisch deutlich im Vordergrund und verleihen so den Gegenbewegungen von Streichern und Bläsern etwas Unerbittliches. Popelkas klarer Durch- und Überblick setzt sich fort, wenn Brahms’ symphonisches Myzel weiter zu wuchern beginnt, und bei der Fokussierung helfen exzellente Solo-Bläser: die Oboistin Raquel Pérez-Juana Rodriguez, der Klarinettist Dirk Altmann, der Flötist Matvey Demin. Und, natürlich, der Solohornist Jonas Gira, der ins Finale die erste geschlossene melodische Figur des Stücks einbringt. Vorbereitet wird sein großer Auftritt von gezupften Streichertönen, deren dynamisches Auf und Ab der Dirigent mit prickelnder Erwartung füllt.

Klug gesetzte Spannungsbögen und gut vorbereitete Höhepunkte sind Teil seines Plans. Popelka ist ein dirigierender Barde. Man hängt an seinen klaren Gesten, und präziser, fantasievoller als er hätte man die Märchen im ersten Programmteil nicht erzählen können: Dvořáks „Mittagshexe“ wie auch „Pohádka“, komponiert von dessen Landsmann und Schwiegersohn Josef Suk. Dieses Stück schenkt dem Konzertmeister Christian Ostertag schönste Violinsoli, und es sorgt, weil Suk hierzulande kaum je gespielt wird, für einen Hauch Entdeckerfreude im Programm. Und hat man zuvor schon mal wahrgenommen, dass das zeternde Kind bei Dvořák seinen Unmut ausgerechnet mit einem nervigen Klopfmotiv kundtut, das auffällig an Beethovens berühmtesten Sinfonie-Beginn erinnert? Von Petr Popelka wird noch viel zu hören sein; wir freuen uns darauf.

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