Seit „Tutti Frutti“ hat RTL viel Erfahrung mit nackter Haut. Wie weit darf Fernsehen gehen, um die Zuschauer an die Bildschirme zu locken? Ein PRO und Contra zur neuen Laufsteg-Show „Sylvies Dessous Models“.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Sylvie Meis hat sich nach der Scheidung von Fußballer Rafael van der Vaart, ihrer schweren Erkrankung und dem Aus bei „Let’s Dance“ neu erfunden und macht jetzt auf Dessous-Unternehmerin. Um ihre Firma zu puschen, hat ihr der Privatsender RTL eine eigene Sendung spendiert – die Casting-Show „Sylvies Dessous Models“, eine Art Mini-Ausgabe von Heidi Klums „Germany Next Topmodel“ (GNTM).

 

Sylvie Meis und ihre 30 Kandidatinnen gaben sich alle Mühe, die TV-Zuschauer bei Laune zu halten, doch nur 1,44 Millionen Menschen in Deutschland schauten zu. Eine magere Quote von 4,9 Prozent. Für RTL eine herbe Enttäuschung.

Was halten Sie von der Sendung? Sind Sie angesichts von so viel nackter Haut entrüstet oder gelangweilt? Hier ein PRO und CONTRA zu „Sylvies Dessous-Show“:

Pro

Das dreiteilige Casting-Format „Sylvies Dessous Modells“ besticht weder durch telegene Qualität noch durch intellektuellen Tiefsinn. Es soll genauso wie GNTM kurzweilig unterhalten und Spaß machen. Mehr nicht.

Dass eine vom Leben gebeutelte Frau wie Sylvie Meis dabei für ihr Unternehmen „Sylvie Designs“ wirbt, um sich ein paar Kreuzer zu verdienen, geht völlig in Ordnung.

Die 30 Amateur-Models sind alt genug, um zu wissen, was sie tun. Der Zuschauer hat seinen Spaß, kann sich am Anblick schöner Körper erfreuen – wobei das natürlich Geschmacksache ist –, und die dabei gewonnenen Eindrücke mit der Wirklichkeit bei sich zuhause vergleichen. So what!

Dass die Dialoge („Du bist so schön“; Du hast einen Körper wie in Marzipan gegossen“, „Sind deine Brüste echt“, „Du bist mega, umfassbar“) nicht preisverdächtig sind, ist klar. Aber daraus – und aus den Fast-Nackedei-Bildern – den Schluss zu ziehen, dass unsere Gesellschaft immer mehr geistig verflacht und Frauen zu reinen Sex-Objekten herabgewürdigt werden, ist weit hergeholt.

Lassen wir die Kirche im Dorf!

CONTRA

„Sex sells.“ Keiner weiß das besser als RTL. Die Unterwäsche-Show „Sylvies Dessous Models“ ist ein weiterer Tiefpunkt im deutschen Fernsehen. Nach der Nackedei-Peinlichkeit „Tutti Frutti“ (RTL 1990-1993) und Jürgen Drews’ „Strip!“ (RTL II 1999) nun die nächste Schmuddel-Attacke auf den guten Geschmack und die Würde der Frau.

Der frühere ZDF-Intendant Dieter Stolte beklagte schon vor Jahren den Verfall der Sitten im deutschen Fernsehen. „Nennen Sie mich einen humanistischen Spinner, wenn ich es Ekel erregend finde, dass Menschen dafür missbraucht werden, den Voyeurismus anderer zu bedienen.“

In „Sylvies Dessous Models“ werden Frauen abgewertet, als Sexobjekt dargestellt und benutzt, um Produkte anzupreisen. Das alles zeigt: Sitte, Anstand und Moral haben im Fernsehen nicht mehr zu suchen. Es geht nur um Kommerz und nackte Haut.

Moderatorin Sylvie Meis nutzt die Chance, um sich und ihre Unterwäschen-Firma „Sylvie Designs“ ins rechte Licht zu rücken. Die spärlich bekleideten Damen sind dabei nur hübsche Fassade. Die Sendung bedient allein das voyeuristische Interesse der Zuschauer.

Die wenigsten Frauen sehen aus wie die schlanken Models. Wer im Fernsehen immer und überall den vermeintlich perfekt aussehenden Menschen sieht, wird es auf Dauer schwer haben, keine Komplexe zu bekommen und sich nicht unter Leistungsdruck zu setzen.