Wasserstoff und Methan könnten bald Stromreserven schaffen – doch vorher ist noch jede Menge Forschung notwendig.

Stuttgart - Was wird man in Zukunft tun, wenn im Winter zwei Wochen lang die meisten Windräder wegen Flaute stillstehen, die Fotovoltaikanlagen bei trübem Wetter nur wenig Strom produzieren und es nicht mehr genügend konventionelle Kraftwerke gibt, um die dadurch entstandene Versorgungslücke zu decken? Solche Szenarien bewegen die Energieversorger, aber auch die Forscher. Denn klar ist, dass die Energiewende nur mit neuen Techniken und neuen Strategien zu meistern ist. Und dazu gehört, ausreichende Vorräte für Notzeiten anzulegen. Eigentlich ist dies eine uralte Überlebensstrategie, nur ist sie bisher bei der Stromproduktion nur sehr begrenzt eingesetzt worden. Im Wesentlichen bewirken Pumpspeicherkraftwerke, dass kurzfristig in Spitzenzeiten genügend Strom im Netz zur Verfügung steht. Aber das in Seen gespeicherte Wasser reicht in der Regel nur für wenige Stunden Generatorbetriebszeit aus. Längere Durststrecken lassen sich so nicht überbrücken.

 

Ohne neue Speichermöglichkeiten für die äußerst verderbliche Ware Strom wird es also nicht gehen. Doch genau da liegt das Dilemma: „Zur Zeit gibt es keine ausreichend leistungsfähigen und bezahlbaren Techniken im erforderlichen Umfang“, sagte Ulrich Wagner, Vorstand Energie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), jetzt beim Stuttgarter Energiespeichersymposium. Daher sei auf diesem Gebiet noch viel Forschung sowohl bei den Grundlagen als auch in der Anwendung erforderlich.

Organisiert wurde das Treffen vom Institut für Technische Thermodynamik am DLR-Standort in Vaihingen. Dabei betont das DLR die wachsende Bedeutung der Speicherforschung: „Technisch und wirtschaftlich attraktive Energiespeicher sind die elementare Voraussetzung, um den Ausbau Erneuerbarer Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung, den Einstieg in die Elektromobilität und eine effizientere Wärmebereitstellung voranzutreiben.“

Langfristig muss deutlich mehr Wind und Sonne genutzt werden

In einer kürzlich fertig gestellten Studie hat sich der DLR-Forscher Joachim Nitsch zusammen mit anderen Experten Gedanken über „langfristige Entwicklungspfade in der Energieversorgung“ gemacht. Sein Fazit: alle Energiequellen müssen zulegen und ihre Potenziale ausreizen, soll die Energiewende gelingen. Allerdings werde das erforderliche Wachstum bei der Nutzung regenerativer Quellen nur mit deutlich mehr Wind- und Sonnenstrom gehen. Denn erneuerbarer Strom wird immer wichtiger – „er wird zur Primärenergiequelle dieses Jahrhunderts“, so Nitsch.

Die erforderlichen Investitionskosten auf dem Stromsektor werden bis zum Jahr 2030 auf 280 Milliarden Euro veranschlagt. Hinzu kommt der Wärmesektor – also beispielsweise die Nutzung von Sonnenwärme mit Solarkollektoren und die Wärmespeicherung. Auch hier wird ein Investitionsvolumen von 280 Milliarden Euro bis 2030 erwartet. Dieser oft als „schlafender Riese“ bezeichnete Bereich komme derzeit aber „nicht so recht voran“, meint Nitsch – und mahnt zugleich: „Wir müssen heute Kapital und Knowhow für die Zukunft unserer Kinder investieren.“

Doch wie soll das am besten gehen? Ab etwa dem Jahr 2020 wird im Sommer die Produktion von Sonnen- und Windstrom die Spitzenlast übersteigen, prophezeit DLR-Mitarbeiterin Yvonne Scholz, die sich mit „Lastdeckung und Speicherbedarf“ in künftigen Energiesystemen befasst. Es wird also in wenigen Jahren regelmäßig massive Überkapazitäten geben, die abgebaut werden müssen. Gleichzeitig gilt es, an trüben, windstillen Wintertagen die zu erwartenden Defizite zu decken.

Um dies zu erreichen, wird man in Zukunft zum einen die Stromlast – also den Bedarf – verstärkt an die Erzeugung anpassen müssen und nicht wie bisher die Erzeugung an die Last. Doch das wird nicht reichen, insbesondere wenn im Winter der zunehmende Strombedarf des wachsenden Wärmepumpenmarkts bedient werden muss. Also muss man auf Reserven zurückgreifen können. Dazu zählt die zur Heizung und Stromproduktion genutzte Biomasse, als beispielsweise Holzhackschnitzel. Doch auch hier sind die Möglichkeiten begrenzt. So wird in Zukunft nicht viel anderes übrig bleiben, als das bisher noch völlig ungenutzte Speicherpotenzial zu erschließen, das die Produktion von Wasserstoff und Methan aus überschüssigem Wind- und Sonnenstrom bietet.

In Prenzlau wird Wasserstoff produziert und gespeichert

Erste Erfahrungen auf diesem Gebiet macht derzeit ein Konsortium der Firmen Enertrag, Total, Deutsche Bahn und Vattenfall mit dem weltweit ersten Wasserstoffhybridkraftwerk im brandenburgischen Prenzlau. Dort wird seit vergangenem Herbst mit überschüssigem Strom aus drei Windmühlen Wasserstoff produziert und zunächst gespeichert. „Ein Teil wird Biogas beigemischt und in einem Blockheizkraftwerk rückverstromt“, berichtet Werner Diwald, der Vorstand von Enertrag. Dabei vertrage der Gasmotor bis zu 70 Prozent Wasserstoff. Ab kommenden April wird dann das brennbare Gas auch direkt an eine Berliner Wasserstofftankstelle für Brennstoffzellenautos geliefert. Prinzipiell ließe sich Wasserstoff auch zu einem gewissen Prozentsatz in das äußerst leistungsfähige Gasnetz einspeisen – „das Supergrid Europas“, wie es Diwald formuliert.

Ein andere gute Speichermöglichkeit ist es, aus überschüssigem Wind- und Sonnenstrom Methan zu produzieren und dieses ins Erdgasnetz einzuspeisen. Allerdings ist hier – ähnlich wie bei der Wasserstoffproduktion – der Wirkungsgrad mit nur etwa einem Drittel ziemlich gering. Ein bisschen besser wird die Bilanz, wenn man zusätzlich die bei den Umwandlungsprozessen entstehende Wärme nutzt.