Die Bischofssynode, die über Ehe und Familie im Vatikan berät, unterstützt den Reformkurs von Papst Franziskus in einer für die Kleriker unerwarteten Dynamik. So überrascht etwa die Öffnung gegenüber Homosexuellen.
Rom - Es fährt ein frischer Wind durch den Vatikan. Galten Bischofssynoden unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. als langweilige Veranstaltungen, bei denen in beflissenen Fensterreden die immergleichen Positionen zur katholischen Lehre wiederholt wurden, so ist unter Franziskus ein neuer Geist eingezogen. Manche der knapp 200 Bischöfe, die derzeit über Ehe und Familie beraten, fühlen sich bereits an den großen Aufbruch der katholischen Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil vor fünfzig Jahren erinnert. In Rom erlebt man während dieser Synode regelrecht begeisterte Würdenträger – und andere, denen es bei so viel Bewegung nur schwindelig wird. Ganz Konservative, wie der Präsident der Kirchenjustiz, Kardinal Raymond Leo Burke, sprechen gar von „Manipulation“. Und der Chef der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, klagt, er sei „nicht mehr Teil der Regie“.
Den großen Applaus für den Bericht kann niemand leugnen
Den großen Applaus freilich, der sich nun in der Synodenaula erhob, kann keiner leugnen: Am Montag wurde dort die Zusammenfassung der ersten (von zwei) Diskussionswochen vorgestellt, und in diesem Spiegel sahen die Bischöfe überrascht, wie weit sie gekommen waren bei ihrem „realistischen Blick auf die Familie von heute“. Den Wandel beschrieb Erzbischof Bruno Forte, Fachtheologe im Synodenpräsidium: „Die Kirche schaut die Welt mit Sympathie an. Sie will nicht über die Leute richten, sondern sie begleiten und die Komplexität ihrer Lebensumstände ernst nehmen.“ Ein moralisches „alles oder nichts“, ein „Hacken mit der Axt“, so Forte, werde der menschlichen Realität nicht gerecht; man müsse unterscheiden, und anstatt abgeschlossene Lehren zu präsentieren, tendiere die Synode zu einer „offenen Suche“.
Besondere Verblüffung hat die Öffnung gegenüber Homosexuellen hervorgerufen. Sie hätten, so heißt es erstmals in einem katholisch-kirchlichen Text, „Gaben und Qualitäten, die sie der christlichen Gemeinschaft anbieten“ könnten. Natürlich geht es mit dem Satz weiter, dass „homosexuelle Lebensgemeinschaften nicht der Ehe von Mann und Frau gleichgestellt werden“ könnten. Aber diesmal folgt „trotz der moralischen Problematik“ keine Verdammung solcher Partnerschaften. Vielmehr nimmt die Synode ihre Existenz „zur Kenntnis“ und sagt, dass es in solchen Verbindungen „zu gegenseitiger Unterstützung bis zur Selbstaufopferung“ kommen könne und dass dies „einen wertvollen Halt für das Leben der Partner“ darstelle.
Ehen ohne Trauschein stellen sich in anderem Licht dar
Auch Ehen ohne Trauschein, laut Katechismus eine einzige Sünde, stellen sich nun in anderem Lichte dar: „Wenn eine solche Verbindung eine beträchtliche Stabilität erlangt aufgrund öffentlicher Regelung, wenn sie von tiefer Zuneigung, von Verantwortung gegenüber den Nachkommen, von Widerstandskraft gegen Krisen gekennzeichnet ist, kann sie wie ein Keim gesehen werden, der auf dem Weg zum Ehesakrament zu begleiten ist.“ Ganz nebenbei ist damit auch noch etwas zugestanden, was die katholische Kirche als „Bedrohung der wahren Familie“ bisher abgelehnt hat: dass der Staat nichteheliche Partnerschaften gesetzlich ermöglichen und schützen kann.
„Wenn wir zuerst ins Wohnzimmer der Familien schauen und nicht ins Schlafzimmer, dann hilft uns das, offene Augen zu haben“, sagte die Berliner Familienseelsorgerin Ute Eberl den Bischöfen. Das bezog sich auch auf eine der Kernfragen der Synode, wo sich der Konflikt zwischen reiner Lehre und der vom Papst propagierten „Barmherzigkeit“ am schärfsten zuspitzt: Müssen wiederverheiratete Geschiedene weiterhin von Beichte und Kommunion ausgeschlossen bleiben? „Mutige seelsorgerliche Schritte“, so befindet offenbar eine Mehrheit der Synode, seien da „notwendig und dringlich“. Die Einzelheiten fehlen noch. Aber aus Bischofskreisen heißt es – lächelnd oder grimmig, je nach Standpunkt –, die Richtung sei gewiesen, die Dynamik nunmehr unumkehrbar.
Fortsetzung folgt – nur in einem Punkt wohl nicht
Fortsetzung folgt. Nur in einem Punkt wohl nicht mehr. Eines der am härtesten betonierten Moralthemen der vergangenen Jahrzehnte spielt auf der Bischofssynode fast keine Rolle mehr: das Verbot „künstlicher Mittel“ zur Empfängisverhütung, also Pille, Kondom & Co. Die Rückmeldungen aus dem Volk haben die Bischöfe zur Erkenntnis gebracht, dass ihnen die Praxis der Gläubigen längst entglitten ist. Für Papst Paul VI., dessen einschlägige Enzyklika „Humanae Vitae“ von 1968 allzu sehr auf die Methodenfrage verengt worden ist, bleibt ein zweifacher Trost: der Wunsch der Synode, man möge die „Botschaft von ,Humanae Vitae‘ für die Würde des Menschen wiederentdecken“ und – die feierliche Seligsprechung dieses Papstes am kommenden Sonntag.