Hat der Verbrennungsmotor noch eine Zukunft? Die Antwort auf diese Frage hängt auch davon ab, mit welchen Kraftstoffen er künftig betrieben wird. Ingenieure und Chemiker forschen deshalb intensiv an synthetischem Sprit.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Auch die deutschen Autobauer sind mittlerweile auf den Elektromobilitätszug aufgesprungen. Trotzdem halten sie den Verbrennungsmotor noch lange nicht für verzichtbar. Der Branchenverband VDA träumt sogar von einem zweiten Frühling für Benziner und Diesel. Möglich machen sollen das Kraftstoffe aus regenerativen Quellen. Mit ihnen, so die Idee, ließen sich Schadstoffausstoß und CO2-Emissionen drastisch drücken.

 

Der Ansatz ist nicht neu. Schon länger sucht die Industrie Alternativen zu den klimaschädlichen Treibstoffen Benzin und Diesel. Beispiele dafür sind Raps-Biodiesel oder Bioethanol aus Zuckerrohr. Beide polieren zwar die schlechte CO2-Bilanz des Verkehrssektors etwas auf, haben aber den Nachteil, dass der Anbau von Energiepflanzen mit der Nahrungsproduktion konkurriert. Designer-Sprit, der durch die Umwandlung von Ökostrom in chemische Energie gewonnen wird, hat dieses Problem nicht. Entsprechend positiv reagierte der VDA auf Meldungen über den „Wunderdiesel“, der in Norwegen ab 2020 industriell hergestellt werden soll.

Neben dem Wunderdiesel, der zwar dem Klima nützt, aber bei den Schadstoffen nur geringe Vorteile bringt, sind weitere synthetische Kraftstoffe in der Entwicklung. So arbeitet Jakob Burger, Juniorprofessor am Lehrstuhl für Thermodynamik der TU Kaiserslautern, mit Oxymethylenether (OME) – einer Verbindung aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Bisherige Kraftstoffe enthalten im wesentlichen Ketten von sieben oder mehr Kohlenstoffatomen, an denen die jeweils passende Zahl Wasserstoffatome hängt. Als Dieselersatz eignet sich OME3-5. Es besteht aus Ketten mit fünf bis sieben Kohlenstoffatomen, die jeweils von Sauerstoffatomen getrennt sind.

Verbrennung viel sauberer

„Durch den hohen Sauerstoffgehalt ist die Verbrennung viel sauberer als bei reinen Kohlenwasserstoffen“, sagt Burger. So entstehe praktisch kein Ruß. Daher sei es viel einfacher, Motoren auf einen geringen Stickoxidausstoß zu trimmen. Allerdings ist die Energiedichte geringer, sodass der Tank für die gleiche Reichweite etwa 1,7 mal so groß sein muss wie bei normalem Diesel. Zudem ist OME bislang nicht klimaneutral. Dazu müsste der Ausgangsstoff Methanol komplett aus Biomasse stammen oder aus regenerativ gewonnenem Wasserstoff synthetisiert werden.

Klimaneutralen Wasserstoff erhält man durch die Elektrolyse von Wasser mit Ökostrom. Dabei wird Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Das ist auch der erste Schritt bei der Wunderdiesel-Herstellung. Wasserstoff lässt sich zwar auch direkt als Kraftstoff für Motoren oder Brennstoffzellen verwenden. Aber Wasserstoffautos spielen bislang praktisch keine Rolle. Der Hauptgrund ist die fehlende Infrastruktur: Es gibt kaum Tankstellen. Zudem sei das explosive Gas „für Laien nicht sicher handhabbar“, so Burger. Ein weiterer Nachteil ist die relativ geringe Energiedichte pro Volumeneinheit in gasförmigem Zustand.

Solche Probleme lassen sich umgehen, wenn der Wasserstoff zu anderen Verbindungen weiterverarbeitet wird. Eine Möglichkeit ist die Methanisierung, bei der aus Wasserstoff und CO2 Methan (CH4) entsteht – der einfachste Kohlenwasserstoff und Hauptbestandteil von Erdgas. Die Methode, die etwa von Audi bereits im kleinen Maßstab eingesetzt wird, heißt daher Power-to-Gas. Methan ist weniger flüchtig als Wasserstoff und lässt sich wesentlich leichter mit hoher Energiedichte speichern. Zudem gibt es in Form des Gasnetzes bereits eine Infrastruktur für Speicherung und Transport. Noch einfacher ist die Handhabung flüssiger Kraftstoffe, die sich ebenfalls aus den Ausgangsstoffen Wasserstoff und Kohlendioxid herstellen lassen: Sie könnten über die vorhandenen Tankstellen vertrieben werden und so schnell den gesamten Fahrzeugbestand sauberer machen.

Erderwärmung bremsen

Die Verwendung des Klimagases CO2 als Rohstoff für synthetische Kraftstoffe oder auch Kunststoffe bietet die Chance, der Atmosphäre einen Teil des von unserer Zivilisation produzierten Kohlendioxids zu entziehen und so die Erderwärmung zu bremsen. Der Chemie-Nobelpreisträger Bernard Feringa zeichnete kürzlich in Lindau gar die Vision eines geschlossenen Kreislaufs, in dem alles freigesetzte Kohlendioxid wiederverwertet würde. Für Synthesezwecke ist der CO2-Gehalt der Luft aber zu gering. Um das Gas zu konzentrieren, muss Energie eingesetzt werden. Deshalb halten es Experten für sinnvoll, CO2 zunächst direkt dort zu holen, wo es anfällt – etwa in fossilen Kraftwerken oder in der Stahlproduktion.

Ob und welche synthetischen Kraftstoffe sich durchsetzen werden, hängt vor allem von zwei Faktoren ab. Erstens von den Preisen der fossilen Konkurrenz. Aufgrund höherer Herstellungskosten seien Designer-Kraftstoffe nur wettbewerbsfähig, wenn konventioneller Sprit oder der damit verbundene Schadstoffausstoß mit höheren Abgaben belegt würde, meint Burger.

Batterien sind die bessere Alternative

Der zweite Faktor ist die Entwicklung bei den Batterien. Sobald diese praxistaugliche Reichweiten zu vertretbaren Preisen ermöglichen, dürften sie für Pkw meist die bessere Alternative sein – auch wegen des höheren Wirkungsgrads. Wenn Autos direkt mit Strom betrieben werden, spart man sich sowohl die hohen Energieverluste im Verbrennungsmotor als auch energiezehrende chemische Synthesen.

Viele Fachleute glauben trotzdem nicht, dass synthetische Kraftstoffe nur eine Übergangstechnologie sind. Denn für klimafreundlichere Lastwagen, Schiffe oder Flugzeuge werde der Designer-Sprit wegen der im Vergleich zu Batterien viel höheren Energiedichte auf jeden Fall gebraucht. Zudem wird die Produktion umso günstiger, je mehr überschüssiger Ökostrom nach einer sinnvollen Verwendung sucht.