Das UN-Expertenteam in Syrien sucht immer noch nach Beweisen für einen Giftgas-Einsatz. Aber die Vorbereitungen für eine Strafaktion schreiten mächtig voran. Von einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats wird kaum noch etwas erwartet.

Washington/Damaskus - Der Countdown für einen internationalen Militärschlag gegen Syriens Machthaber Baschar al-Assad läuft. Die erwartete Strafaktion unter Führung der USA könnte nach amerikanischen Medienberichten bereits an diesem Donnerstag beginnen. Auf britischen Wunsch beriefen die Vereinten Nationen noch für Mittwoch eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats ein. Die Chancen, im wichtigsten UN-Gremium praktisch in letzter Minute doch noch zu einer gemeinsamen Linie zu kommen, waren jedoch gering.

 

In Syrien selbst setzte ein UN-Expertenteam nach eintägiger Zwangspause seine Suche nach Spuren des mutmaßlichen Giftgas-Angriffs fort, bei dem vor einer Woche mehrere Hundert Menschen getötet wurden. Die Chemiewaffenexperten sollen Beweise liefern, ob das Assad-Regime dahinter steckt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geht inzwischen „mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit“ davon aus. Sie ließ jedoch weiter offen, wie für Deutschland die angekündigten „Konsequenzen“ aussehen könnten.

Der britische Entwurf für eine Syrien-Resolution sieht vor, dass der Sicherheitsrat „alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten vor Chemiewaffen“ erlaubt. Die beiden Vetomächte Russland und China machten nach zweieinhalbjähriger Blockade jedoch keine Anstalten, ihre bisherige Haltung aufzugeben. Der russische Außenminister Sergej Lawrow bekräftigte: „Gewalt würde nicht zu einer Lösung, sondern zur weiteren Destabilisierung führen.“

Auch von anderer Seite kamen Warnungen vor einem voreiligen Eingreifen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mahnte: „Der UN-Sicherheitsrat muss seine politische Verantwortung behalten.“ SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier empfahl in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur (dpa) dringend, den G20-Gipfel kommende Woche im russischen Sankt Petersburg abzuwarten. Sinn solcher Gipfel sei, „letzte Möglichkeiten auszuloten, bevor mit einem militärischen Schlag unwiderrufliche Fakten geschaffen werden“.

Als einigermaßen sicher gilt, dass die Strafaktion gegen Assad erst beginnt, wenn das UN-Expertenteam Syrien verlassen hat. Am Mittwoch waren die Chemiewaffen-Inspekteure in Samalka unterwegs, einer Rebellenhochburg im Bezirk Al-Ghuta Al-Scharkija. Ergebnisse gab es noch keine. Der Syrienbeauftragte von UN und Arabischer Liga, Lakhdar Brahimi, sprach in Genf aber von Anzeichen für den Einsatz chemischer Kampfstoffe. Bei den Angriffen sei eine „gewisse Substanz“ verwendet worden. Details nannte er nicht.

Irans oberster Führer warnt im iranischen Fernsehen

Die USA, Frankreich und Großbritannien zeigen sich inzwischen fest davon überzeugt, dass die Assad-Truppen Schuld an dem Angriff tragen. US-Vizepräsident Joe Biden sagte, es gebe keinen Zweifel daran, dass die Führung in Damaskus für den „ruchlosen“ Gebrauch chemischer Waffen verantwortlich sei. Frankreichs Präsident François Hollande forderte einen „angemessenen Gegenschlag“.

Der amerikanische Fernsehender NBC berichtete, die Raketenangriffe könnten bereits an diesem Donnerstag beginnen. Die Planungen laufen darauf hinaus, dass eine solche Aktion nur wenige Tagen dauern wird.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, bekräftigte, dass US-Präsident Barack Obama mit Ausnahme des Einsatzes von Bodentruppen alle Optionen in Betracht ziehe. Ziel sei aber nicht ein Regimewechsel. „Die Lösung dieses Konfliktes muss durch politische Verhandlungen und Ergebnisse erfolgen.“

Kanzlerin Merkel und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) appellierten vor allem an Russland, ein härteres Vorgehen gegen Assad nicht länger zu blockieren. Die Hoffnung ist jedoch gering. Westerwelle sagte der „Neuen Zürcher Zeitung“ (Mittwoch), derzeit könne man sich „eine politische Lösung kaum mehr vorstellen“. Weiterhin offen ließ die Bundesregierung die Frage nach einer Beteiligung der Bundeswehr. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, bislang gebe es von den Partnern keine entsprechenden Anfragen.

Irans oberster Führer, Ajatollah Ali Chamenei, warnte im iranischen Fernsehen: „Der Nahe Osten ist ein Pulverfass. Eine amerikanische Militärintervention in Syrien würde daher zu einer Katastrophe ohne absehbares Ende führen.“ Syrien ist Irans engster Verbündeter im Kampf gegen den „Erzfeind“ Israel. In Jerusalem berief Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sein Sicherheitskabinett zu einer Dringlichkeitssitzung ein.