Über Ostern hat auf dem Boßlerhaus bei Gruibingen eine Gruppe mit syrischen Flüchtlingen den ehrenamtlichen Hüttendienst übernommen. Die Naturfreunde hätten ihr Ausflugsziel für Wanderer und Radler sonst wohl nicht öffnen können.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Gruibingen - In der kleinen Küche herrscht Hochbetrieb: Die Bestellungen der Gäste werden abgearbeitet, die fertigen Essen angerichtet und Zutaten geschnippelt. Auf dem Herd dampft es aus allen Töpfen. Im Aufenthaltsraum warten die Besucher auf die notwendige Stärkung – nach ihrer Rad- oder Wandertour. Vorab gehen schon mal die Getränke über die Theke, um den ersten Durst zu löschen. Alles wie immer an einem Wochenende im Naturfreundehaus auf dem Boßler bei Gruibingen? Nicht ganz.

 

Die meisten jungen Leute, die hier über die Osterfeiertage den ehrenamtlichen Hüttendienst übernommen haben, kommen nicht aus Göppingen, Bad Boll oder Uhingen, sondern aus Homs und Damaskus. Sie sind auch keine Naturfreunde-Mitglieder, sondern Flüchtlinge, die mittlerweile in Esslingen ein neues Zuhause gefunden haben. Zum dritten Mal schiebt die Gruppe bereits Dienst, mit zunehmender Routine, aber nach wie vor großem Spaß an der Sache. „Obwohl man an solch langen Wochenenden schon ordentlich zu tun hat“, wie Marion Diehl erklärt. Über sie und ihre Freundin Ayse Ünal ist der Kontakt zu den Asylbewerbern zustande gekommen. Die beiden Frauen sind, zusammen mit Bekannten und Freunden, schon in der Vergangenheit immer wieder mal eingesprungen, wenn auf dem Boßlerhaus ein Dienst nicht besetzt werden konnte.

Etwas Sinnvolles tun und sich gegenseitig kennenlernen

„Im vergangenen Jahr wurden wir wegen Ostern gefragt, haben zugesagt und waren dann krankheitsbedingt dezimiert“, erinnert sich Ayse Ünal. Rasch war deshalb die Idee geboren, die ihnen aus der Gemeinschaftsunterkunft in Esslingen-Zell vertrauten Flüchtlinge um Hilfe zu bitten. „Und dann haben wir das gemacht, und es lief, trotz sprachlicher Verständigungsschwierigkeiten, gleich rund“, erinnert sich Marion Diehl. Diese Probleme gibt es inzwischen ohnehin nicht mehr. Sowohl Mohieddin Alsahhar wie auch die Brüder Ghiath und Bashar Alriz oder die Zwillinge Mohamad und Ahmad Alsakka sprechen ein passables Deutsch.

Und sie sind begierig, weiter zu lernen, und wollen vor allem etwas tun. „Für uns ist das ein tolle Gelegenheit, etwas Sinnvolles zu arbeiten und andere Leute kennenzulernen“, sagt Ghiath Alriz. „Und natürlich lernen diese Leute auch uns kennen“, ergänzt sein Bruder. Schon beim Essen, das auf dem Boßlerhaus angeboten wird, fängt das an. Auf der Karte stehen eben nicht nur Gulasch und Maultaschen, sondern auch ein Bulgur-Gemüsetopf oder das syrische Schichtgericht Maklube, das hauptsächlich aus Hühnchen- oder Lammfleisch, Auberginen und Reis besteht. „Und natürlich bekommen die Gäste, auch wenn wir selbst kein Schweinefleisch essen, ihr Schinken-, Leber-, oder Griebenwurstvesper“, erklären der 29- und der 23-Jährige lachend.

Integration wird beim Hüttendienst einfach praktiziert

Mohamad und Ahmad Alsakka, die beim Hüttendienst zum ersten Mal dabei sind, haben ebenfalls keine Berührungsängste. „Es freut mich, dass ich hier helfen kann“, sagt Mohammad. Und Ahmad fügt hinzu: „Für uns ist es wichtig, mit Menschen in Kontakt zu treten und etwas vom deutschen Alltag mitzubekommen.“ Darüber hinaus treffen sich die Flüchtlinge, die mittlerweile in der sogenannten Anschlussunterbringung an verschiedenen Stellen wohnen, mal wieder und können sich austauschen. Marion Diehl lobt die Einsatzbereitschaft der jungen Männer aus Syrien: „Die sehen alle, wenn was zu tun ist, fragen nicht lange, sondern packen mit an, beim Kochen ebenso, wie beim Getränke holen, beim Aufräumen oder beim Spülen.“ Und nebenher würden sie noch Deutsch lernen, im besten Fall sogar Schwäbisch“, fährt sie mit einem Grinsen fort. Ayse Ünal findet es überdies wichtig, „dass hier alles so normal abläuft“. Alle redeten von Integration und wie wichtig diese sei. „Hier wird das einfach praktiziert.“

Dieses Empfinden teilen im übrigen auch die Hausgäste. Philipp Gebhard aus Denkendorf (Kreis Esslingen), der mit seiner Partnerin und zwei weiteren Bekannten einige Etappen des Albtraufgängers absolviert, findet es „gut, wenn das so unkompliziert läuft“. Und der Ravensburger Timo Breßmer, der mit einer Freundin aus Frankreich über die Alb radelt, räumt ein, „dass es mir überhaupt nicht aufgefallen ist, dass wir hier von Flüchtlingen aus Syrien versorgt werden“. In jedem Fall sei das aber ein super Idee.

Dieter Vetter, der das Boßlerhaus für die Naturfreunde-Ortsgruppe Göppingen verwaltet, teilt diese Ansicht: „Da die Suche nach Freiwilligen immer schwieriger wird, nicht zuletzt, weil unsere Mitglieder nicht jünger werden, hilft uns das natürlich und sorgt für eine gewisse Entlastung.“ Die Frage, was denn an Ostern mit dem Haus gewesen wäre, wenn die Gruppe den Dienst nicht übernommen hätte, beantwortet Vetter mit einem einzigen Wort: „Zu!“