Jeder stirbt irgendwann, doch kaum einer unterhält sich gern darüber. Wie sich das Tabuthema in der Familie in lockerer Stimmung ansprechen lässt – bevor es zu spät dafür ist.

Hast du Angst vor dem Tod?“ – „Du stirbst. Willst du, dass deine Familie noch an deiner Seite ist, oder willst du allein sein?“ – „Wie sollte deine Bestattung aussehen?“ – „Wen möchtest du auf deine Beerdigung einladen und wen nicht?“

 

Beim „Speeddating mit dem Tod“ bleibt den Teilnehmern keine Zeit, sich zu viele Gedanken zu machen, dass man gerade eigentlich über das Tabuthema Tod spricht. Es ist ein Spiel, es geht schnell, und die Antworten sprudeln nur so aus den Teilnehmern heraus. In diesem Fall sind es Mitarbeiter eines Pflegeheims. „Bei früheren Workshops ohne diesen spielerischen Zugang habe ich gemerkt, dass die Teilnehmer sehr still waren“, sagt Verena Brunnbauer.

Und welches Lied für die Bestattung?

Dass bei Fragen rund um den Tod die Antwort häufig ein Schweigen ist, kennt Verena Brunnbauer schon. Die Österreicherin hat viele Jahre als Bestatterin gearbeitet und in die ratlosen Gesichter von Angehörigen geblickt, wenn sie etwa gefragt hat, welches Lied der Tote sich für seine Bestattung gewünscht habe. „Die Beerdigung ist zu einer Dienstleistung geworden, die viele Angehörige gern allein in die Hände eines Bestatters legen“, berichtet Verena Brunnbauer.

So wie auch der Tod heute meist außerhalb des familiären Umfelds stattfindet. Im Krankenhaus. Im Pflegeheim. Im Hospiz. Selten zu Hause. Oft allein. Hinter verschlossenen Türen. Der Tod gehört hierzulande nicht mehr richtig zum Leben dazu, obwohl jeder früher oder später an der Reihe ist.

Das müsste doch auch wieder anders gehen, hat sich Verena Brunnbauer gedacht. Denn früher, als die Menschen noch meist zu Hause starben, inmitten einer Gemeinschaft, war der Tod auch nicht so ein Tabu. Man hat ihn gemeinsam erlebt, statt ihn in die Hände von Ärzten, Pflegerinnen oder Bestattern zu geben. Solche Erfahrungen und Gespräche haben geholfen, Berührungsängste abzubauen.

Was früher automatisch passierte, braucht heute ein Werkzeug, glaubt Verena Brunnbauer. Und so gibt es die Fragen aus dem „Speeddating mit dem Tod“ inzwischen auch als Kartenspiel („Sarggespräche“). Gemeinsam mit ihrer Kollegin Nicole Honeck reist Verena Brunnbauer zudem mit einer mobilen „Sargbar“ herum und macht abendliche „Gemunkelführungen“ auf einem Linzer Friedhof. „An den vielen positiven Rückmeldungen merken wir, wie gut solche Angebote funktionieren“, erzählt Brunnbauer.

Sonntagsspaziergang über den Friedhof

Aber auch im kleinen Familienkreis kann man solche positiven Türöffner Richtung Tod machen, findet Brunnbauer. Warum nicht den nächsten Sonntagsspaziergang mal über einen Friedhof machen und sich überlegen, ob einem dieser Ort gefällt?

Auch Johanna Klug, Trauer- und Sterbebegleiterin aus Würzburg und Autorin, wünscht sich, dass dem Thema Tod mehr Raum in den Familien eingeräumt wird. „Oft höre ich am Sterbebett, was die Leute alles bereuen oder noch gern getan hätten“, sagt Johanna Klug.

Die Trauerbegleiterin ist der Meinung: Das müsste nicht sein, wenn die Menschen mehr mit dem Bewusstsein leben würden, dass der Tod plötzlich alles beenden könnte – und es sich deshalb nicht lohnt, Dinge, die einem wichtig sind, aufzuschieben.

Dazu gehören auch die Gespräche über den Tod selbst. „Am besten in gemütlicher Umgebung, bei einem Glas Wein oder Tee in der Familie ansprechen“, empfiehlt Johanna Klug. Und zwar möglichst, bevor die Angehörigen zu alt sind oder schwere Krankheiten im Raum stehen. „Denn dann befinden sich schon alle in einer emotionalen Ausnahmesituation. Es kommen oft alte Familiendynamiken wieder ans Licht, das alles erschwert entspannte Gespräche“, sagt Johanna Klug.

„Der Tod ist eine Familienangelegenheit“

Man könne auch einfach mal eine Patientenverfügung ausdrucken, den Eltern auf den Tisch legen und schauen, wie diese reagieren. „Wird das Thema abgeblockt, darf man auch ruhig darauf hinweisen, dass das ein egoistische Verhalten ist“, findet Johanna Klug. Denn: Sobald jemand schwer krank ist oder stirbt, müssen die Angehörigen sehr viele Entscheidungen treffen. Klug: „Der Tod ist eben keine persönliche Sache, sondern eine Familienangelegenheit.“

Material für Gespräche

Kartenspiele
 „Sarggespräche“ heißt das Kartenspiel von Verena Brunnbauer und Nicole Honeck. Die 105 Impulsfragen rund um das Thema Sterben und Beerdigen können in Gruppen oder allein beantwortet werden. Es kostet 33 Euro und kann bestellt werden unter info@deathpositiv.at. Nach dem ähnlichen Prinzip funktioniert das „Spiel mit dem Tod“ von Daniela Eichberger. Für 30 Euro ist es zu beziehen unter www.danielaeichberger.com. Über die Homepage gibt es auch die Möglichkeit, an Online-Spielerunden teilzunehmen und einen Bogen auszudrucken, auf dem die Antworten zum Spiel festgehalten werden können für später.

Erinnerungsbücher
 Sie heißen „Großeltern-Tagebücher“ oder „Erinnerungsalbum für Familien“ – bieten viel Platz, um ein Stück Familiengeschichte aufzuschreiben oder um Lebensfragen zu beantworten, auch zum Älterwerden und Sterben. Sie lassen sich gemeinsam ausfüllen oder lesen.

Für Kinder
 Woher weiß man, ob ein Mensch wirklich tot ist? Warum ziehen Menschen auf einer Beerdigung schwarze Sachen an? Darf ein Sarg auch bunt sein? Um solche Kinderfragen rund um den Tod beantworten zu können, hat die Pädagogin Margit Franz 44 Fotokarten gestaltet. Mithilfe dieser Bilder können Eltern, Erzieher oder Lehrer mit den Kindern ins Gespräch kommen. Margit Franz: Mit Kindern über Abschied, Verlust und Tod sprechen. 44 Fotokarten. Don Bosco, ca. 12 Euro.

Online-Spiele 
 Es gibt mehrere Angebote, die sich auf ruhige Weise dem Sterben nähern und versuchen, den Tod greifbarer zu machen und ihm den Schrecken zu nehmen. In „Spiritfarer“ beispielsweise geht es um die Seelen der Verstorbenen und deren Bedürfnisse und letzte Gedanken. Im Videospiel „A Mortician’s Tale“ übernehmen die Spieler die Rolle eines Bestatters. So lernt man, wie mit einem toten Körper umgegangen wird oder was in einem Krematorium passiert