Ende des Jahres läuft vorraussichtlich das Projekt Bürgerarbeiter aus. Mit Flüchtlingen und Ehrenamtlern versucht die Schwäbische Tafel, die personellen Defizite auszugleichen.

Möhringen - Der Eimer vom Baumarkt, schwarz, mit Metallbügel, ist randvoll. Oben lugen Salzstängel heraus, ein paar Dosen grüner Tee, ein Beutel mit Brötchen und ein Salatkopf. Eine Frau lupft ihn auf einen Tisch vor der Kasse am Ausgang. „Ein Eimer kostet so zwei bis drei Euro“, sagt Norbert Matheis. Damit meint er den Inhalt. Im Supermarkt würde das locker das fünf- bis zehnfache kosten. Im Möhringer Tafelladen an der Filderbahnstraße sind die Preise unschlagbar niedrig. Müssen sie auch sein, denn hier kaufen die ein, die sich Aldi, Rewe und Co. nicht leisten können. Weil sie zu arm sind.

 

Nach außen schirmt sich der Laden mit blickdichter Folie ab. „Viele schämen sich, hierher zu kommen“, sagt Matheis. Er ist der Leiter der Filiale. Die Waren gelten im normalen Handel als unverkäuflich und wurden von den Ketten gespendet – weil das Haltbarkeitsdatum falsch aufgedruckt wurde oder die Tomaten vom Vortag sind.

Programme werden aufgelegt und wieder eingestampft

Täglich kaufen um die 300 Leute im Möhringer Tafelladen ein. Auch diejenigen, die hinter der Theke stehen, dürften sich mit ihrer Berechtigungskarte an die Kasse stellen. Es sind Langzeitarbeitslose, die der Staat mithilfe diverser Förderprogramme in Arbeit bringen will.

Doch das Geschäftsmodell im Namen der öffentlich geförderten Nächstenliebe gerät immer wieder unter Druck – so auch jetzt. Programme werden aufgelegt und eingestellt. Man hört davon am Rande in den Nachrichten, wenn die Berliner Politik 230 Millionen Euro für das Projekt soundso bewilligt. Wird es wieder eingestampft, bekommt man schon weniger davon mit. Es sei denn, man ist Betroffener.

So wie die vielen von der Tafel eingestellten Bürgerarbeiter. Das ist ein Förderprogramm der Europäischen Union, über das jährlich 200 Millionen Euro nach Deutschland fließen. Der Bund legt noch einmal eben jene 230 Millionen oben drauf. Und zum Jahresende läuft das Modell aus.

Wenn Bund und Land kein Nachfolgemodell auf den Weg bringen, „werden bei uns 80 Beschäftigte wegfallen“, sagt Edgar Heimerdinger, der Vorsitzende der Schwäbischen Tafeln Stuttgart. Insgesamt arbeiten rund 400 Menschen in den fünf Läden in und nahe der Landeshauptstadt.

In der Innenstadt-Filiale arbeiten schon mehrere Asylbewerber

Die Möhringer sind diesbezüglich in einer glücklichen Lage. Nur eine Angestellte ist Bürgerarbeiterin, die restlichen 35 Mitarbeiter sind Ein-Euro-Jobber. Anderswo ist das anders. Die Esslinger Filiale ist besonders betroffen. Und auch der Ableger in der Innenstadt muss sich im großen Stil anpassen, schließlich ist der Laden an der Hauptstätter Straße auch der mit Abstand größte.

Dort will man neue Wege gehen. Zurzeit werde überlegt, ob Flüchtlinge helfen könnten, das personelle Defizit auszugleichen, sagt Heimerdinger. Einige hat die Tafel bereits eingestellt. Der 23-jährige Modou Lamin Bojang aus Ghana jobbt seit sechs Monaten in der Filiale in der Innenstadt. „Davor habe ich immer bloß im Asylbewerberheim herumgesessen und mich gelangweilt“, sagt er. „Das war nichts für mich. In Ghana war ich gewohnt, regelmäßig und hart zu arbeiten.“

Auch die Deutschkenntnisse würden sich so rasch verbessern, sagt Marina Eisele, die Leiterin in der Innenstadt. Die ersten vier Flüchtlinge haben bereits im September vergangenen Jahres angefangen. Weil die Erfahrungen so positiv gewesen seien, jobben inzwischen zehn Asylbewerber aus verschiedenen Ländern in dem Laden. „Bei der Verständigung untereinander helfen manchmal auch Hände und Füße“, sagt Eisele. Ob allerdings die Flüchtlinge die wegfallenden Bürgerarbeiter komplett kompensieren können, vermag sie nicht zu sagen.

Woher die Fördermittel kommen, ist Norbert Matheis egal

Langfristig, meint Matheis, der Möhringer Filialleiter, sei es ihm egal, ob die Fördermittel von der EU oder vom Bund kommen – so lange sie nur fließen. Von der aktuellen Entwicklung mag er nicht betroffen sein, aber Ende 2013 war das ganz anders.

„Damals ging es darum, ob es die Ein-Euro-Jobber auch weiterhin geben wird“, sagt er. „Unsere Mitarbeiter wussten im Dezember nicht, ob sie im Januar weiter bei uns arbeiten können. Das war schlimm.“

Um bedürftigen Menschen auch weiterhin günstig Lebensmittel verkaufen zu können, will er deshalb verstärkt auf ehrenamtliche Mitarbeiter setzen. Derzeit stehen rund 30 Namen in seiner Kartei; zehn helfen regelmäßig, ohne dafür einen Lohn zu verlangen. „Wir werden das schon irgendwie schaffen“, sagt Norbert Matheis. „Es muss weitergehen. Es gibt keine Alternative dazu.“