Tafelläden wie der in Stuttgart-Möhringen versorgen immer mehr Menschen mit dem Nötigsten. Doch die Zukunft der Läden ist ungewiss.

Möhringen - Auf dem großen Tisch häuft sich der Salat. Sieben Frauen und Männer in dunkellilafarbenen Schürzen nehmen jeden einzelnen Kopf in die Hand. Bei einigen sind die äußeren Blätter schlaff. Die werden abgemacht. Sie landen in großen schwarzen Wannen, die neben dem zusammengeschobenen Sortiertisch stehen. Sind die Salatköpfe in Ordnung, landen sie in grünen Gemüsekisten. Sind diese Kisten voll, stapeln die Sortierer sie auf Kistenrollern, stellen sie auf andere Gemüsekisten, gefüllt mit Paprika oder Rhabarber. In jeder Kiste eine Sorte Gemüse. „Genau wie im Supermarkt“, sagt Marina Eisele.

 

Doch es ist kein Supermarkt. Auf den Schürzen der Mitarbeiter steht der Schriftzug „Schwäbische Tafel“ über der Abbildung von einem Messer und einer Gabel. Eisele selbst trägt keine Schürze über ihrem dunkelblauen Poloshirt und der grauen, ärmellosen Weste. Sie sortiert auch keine Lebensmittel. Eisele steuert und organisiert die Abläufe: wann die Fahrer mit den Lebensmitteln kommen und wann was in die Regale im Verkaufsraum geräumt wird. Außerdem kümmert sie sich um ihre Mitarbeiter. „Man ist hier nebenher Sozialarbeiter, Kummerkasten und Krankenschwester“, sagt Eisele und lacht.

Bis zu 300 Kunden kommen am Tag

Die Tür in den Hinterhof, in dem die Waren angeliefert werden, steht offen. Frische Luft strömt in den Raum. Doch den schweren, süßlichen Duft kann sie nicht vertreiben. Neben der Tür stapeln sich braune Pappkartons. Eisele nimmt einen davon vom Stapel. Bananen liegen neben Paprikaschoten, dazwischen liegen Tomaten. „So kommen die Kisten hier an“, sagt Eisele. Auch deshalb müssten die Mitarbeiter erst einmal sortieren, bevor man die Lebensmittel in die Regale räumen könne.

Seit mehr als zehn Jahren leitet Eisele den Standort der Schwäbischen Tafel in Möhringen. Er ist einer von vier Standorten der Tafel in Stuttgart. Der ehemalige Pfarrer Martin Fritz von der Leonhardtskirche eröffnete vor 23 Jahren den ersten Tafelladen in Stuttgart – zwei Jahre nach der ersten Tafel in ganz Deutschland. In Stuttgart folgten drei weitere Läden, darunter der in Möhringen. „Zuerst waren wir direkt am Stadtbahnhof“, sagt Eisele. Doch 2005 mussten sie umziehen. „Der Laden ist zu klein geworden“, sagt Eisele.

Grund dafür ist auch die Anzahl der Kunden. „Jeden Tag kommen zwischen 200 und 300“, sagt die Mitarbeiterin Erika Ludwig. An manchen Tagen sogar mehr. „Zum Beispiel nach dem Erntedankfest oder vor Feiertagen“, sagt Ludwig. Die Klientel ist bunt gemischt. Es kommen große Familien und Flüchtlinge, aber auch immer mehr ältere Menschen. „Altersarmut gibt es auch in Möhringen“, sagt Eisele.

Auch Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose helfen mit

Wie die Kunden sind auch die Mitarbeiter eine bunte Mischung. Es sind Ehrenamtliche darunter und Flüchtlinge. „Die Tafel macht da eigentlich den Job der Regierung“, sagt Eisele, nämlich den Job, die Flüchtlinge zu integrieren. „Wir bekommen manchmal Mitarbeiter vom Jobcenter, die sprechen kaum Deutsch“, sagt sie. Da müsse dann mit Händen und Füßen erklärt werden, was zu tun sei. Vor allem beim Sortieren der Lebensmittel sei das aber nicht so einfach, sagt Ludwig. Obwohl sie heute an der Kasse sitzt, hat auch sie beim Sortieren ihre Erfahrungen gemacht. Denn als sie vor mittlerweile mehr als zehn Jahren im Tafelladen in Möhringen zu arbeiten anfing, hat auch sie Lebensmittel sortiert. „Das muss jeder können“, sagt sie. „Das ist eigentlich immer die erste Aufgabe, die man bekommt.“

Neben Ehrenamtlichen und Flüchtlingen sind auch solche Leute beschäftigt, deren Arbeit unter dem Schlagwort „soziale Teilhabe“ läuft. Unter dieses Programm fallen Personen, die lange arbeitslos waren und unter privaten Problemen leiden. Allein im Tafelladen in Möhringen sind das 13 Mitarbeiter, darunter einige der Fahrer. Um diese Mitarbeiter macht sich Eisele viele Gedanken. Denn das Förderprogramm der sozialen Teilhabe läuft Ende des Jahres aus. „Wenn das ersatzlos wegfällt, könnten unsere Fahrer ihre Arbeit nicht mehr stemmen“, sagt Eisele. Und vermutlich würden viele der Betroffenen wieder zurück in die Arbeitslosigkeit rutschen. Doch ohne diese Mitarbeiter hätten die Tafelläden insgesamt ein Problem.

Die angebotenen Waren wechseln von Tag zu Tag

Insgesamt 40 Mitarbeiter hat der Tafelladen in Möhringen. Die ersten fangen bereits um sieben Uhr morgens an. „Um halb acht kommt der Wagen mit Waren aus dem Zentrallager in Wangen“, sagt Marina Eisele. Davor müssen noch die Lebensmittel vom Vortag aus den Regalen geräumt werden, die nicht mehr frisch sind. Dieses alte Gemüse ist das erste, das in den großen schwarzen Wannen landet. Eisele sieht einem Mitarbeiter über die Schulter, der Paprikaschoten aus Plastiktüten packt. Die Plastiktüten stopft er in einen gelben Sack. In die schwarze Wanne dürfen sie nicht, denn „was darin ist, kommt in die Biogasanlage“, sagt Eisele.

Während ein Teil der Mitarbeiter eine neue Ladung Lebensmittel sortiert, räumen ihre Kollegen das Obst und Gemüse in die Regale. Mehrmals am Tag werden diese aufgefüllt. Dafür schließt die Tafel immer für ein paar Minuten. Kunden müssen so lange im Vorraum warten. Die Ecke für das Obst und das Gemüse befindet sich hinter der Eingangstür. Auf Kistenrollern kommen die aufeinandergestapelten Gemüsekisten dort an. Vier Mitarbeiter nehmen sie in Empfang. Eine Kiste nach der anderen heben sie auf die Regale: Paprika neben Salatköpfe, Bananen neben Rhabarber. Aus dem Lager kommt die Frage: „Wie viele Kisten Bananen habt ihr eingeräumt?“ – „Drei!“ ruft ein Mitarbeiter zurück und erhält die Information: „Das reicht. Bringt den Rest wieder nach hinten!“ Das machen sie, damit auch die Kunden, die später am Tag kommen, noch Bananen kaufen könnten und nicht nur Salat, sagt Eisele.

Neben der Ecke mit Obst und Gemüse summen in der Tafel Möhringen die Kühlregale. Käse, Joghurt und Butter gibt es in mehreren Sorten. Allerdings nicht immer. „Das Angebot ist jeden Tag aufs Neue eine Überraschung“, sagt Eisele. „Erst wenn die Waren ankommen, wissen wir, was wir an diesem Tag verkaufen können.“

Etwa zehn Minuten brauchen die Mitarbeiter. Dann sind die Regale wieder gefüllt und der Tafelladen öffnet wieder seine Türen – für die Bedürftigen in Möhringen.