Der Tag der Bibliotheken lenkt die Aufmerksamkeit auf die rund 11 000 Büchereien in Deutschland. Zwei davon finden sich in Möhringen und Vaihingen – und eine weitere ist auf vier Rädern in den Stadtbezirken unterwegs. Unsere Mitarbeiterin Leonie Thum hat sie besucht.

Möhringen - Draußen regnet es und zwischen den Tropfen segeln bunte Blätter auf den Boden. Die Stadtteilbibliothek in Möhringen wirkt umso gemütlicher, wenn man aus dem kalten Wind in die Wärme tritt, umgeben von Bücherregalen. Herbstzeit – für viele ist das Lesezeit. Trotz der Konkurrenz durch die neuen Medien herrscht in der Bücherei ein reges Treiben. Was die Menschen hierherzieht?

 

„Ich halte lieber ein echtes Buch in der Hand, da bin ich altmodisch“, sagt eine junge Frau mit Kurzhaarschnitt. Sie trägt bereits einen Stapel Thriller in der Hand und ist auf der Suche nach mehr. Auf der anderen Seite des Raumes ergänzt ein bärtiger Familienvater vor dem Regal mit Gesellschaftsspielen: „Ich finde es schön, einfach mal den Fernseher auszulassen und hierherzukommen. Letztes Mal haben sich meine beiden Kinder bestimmt eine Stunde lang in der Leseecke eingeigelt.“

Die Bücherei ist voller Leben

Bibliotheken sind nicht mehr nur ein Ort, an dem man ehrfürchtig über das angesammelte Wissen staunt. Sie werden immer mehr zu Aufenthaltsorten – in der Ecke steht sogar eine Kaffemaschine, an der sich die Besucher bedienen können. „In der Kinderecke wird es auch mal etwas lauter – dagegen hat niemand etwas. Man spürt: Das Leben ist da und das soll es auch“, sagt Caroline Föll. Die junge Frau leitet die Kinderbibliothek.

Dass die Leute nach wie vor in die Bücherei kommen, obwohl alles im Internet zu finden ist, erklärt sie aber nicht nur mit den gemütlichen Räumen. „Was online steht, ist oft nicht richtig oder lässt sich nicht nachprüfen. Man verliert den Überblick“, sagt sie. „In Bibliotheken sind wir Mitarbeiter da, um den Menschen zu helfen. Wir selektieren das große Angebot und wissen, was wo zu finden ist.“ Das sei schon eine Hürde, die bewältigt werden müsse.

Auf dem Weg zum Ausgang beschwert sich ein Junge, dass er seine Bücher selbst tragen möchte. Die Mutter weist ihn auf das Regenwetter hin. Seine erstaunte Antwort: „Gehen Bücher im Wasser kaputt – so wie Handys?“

Neue Medien kennenlernen

Vaihingen - An der Fensterfront im Obergeschoss der Bibliothek stehen vier Computer, vor ihnen sitzen vier ältere Besucher und klicken sich interessiert durch verschiedene Anwendungen. Büchereien haben heute einen fließenden Übergang zum Online-Angebot – das nutzt nicht nur die junge Generation aus. Um den Zugang zu den neuen Medien auch computerunerfahrenen Menschen zu ermöglichen, bietet die Stadtteilbibliothek Vaihingen das Lernstudio. Ehrenamtliche erklären den Anfängern die Grundlagen von Computer- und Internetnutzung.

„Das Angebot hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt und damit auch unsere Art der Auskunft“, sagt Ulrike Seiwald, die stellvertretende Leiterin der Bibliothek. „Die Mitarbeiter zeigen heute nicht mehr nur, wo welches Buch steht. Sie wissen auch, wo man gute Quellen im Internet findet und wann ein Buch besser ist als das Onlineangebot“, erklärt sie.

Die digitale Welt erkunden

„Für alle Generationen gibt es dabei Herausforderungen“, findet die Mitarbeiterin Barbara Krienitz-Reinhard. „Kinder müssen erst mal richtig mit dem Lesen in Kontakt kommen, um dann die digitale Welt zu erkunden.“ Im zweiten Schritt könnten sie in der Bücherei auch den sogenannten Internetführerschein machen. Auch hier bestehen direkte Kooperationen mit Schulen und Kindergärten. Damit werden oft Kinder erreicht, deren Eltern sonst keine Zeit für einen Büchereibesuch übrig haben. Ebenfalls ein besonderes Angebot gibt es für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Sie werden durch die Bibliothek geführt, können sich anmelden und das Angebot nutzen.

Das ist auch gerade der Fall: Ein etwa 14-jähriger Junge leiht sich bei den Mitarbeitern höflich einen Laptop aus und setzt sich damit in eine der ruhigen Ecken. Direkt vor ihm durchsucht eine Deutschlehrerin das Regal nach Unterrichtsmaterial. Und schwärmt dabei von den tollen Bildbänden, die die Bücherei habe: „Ich interessiere mich sehr für andere Länder – hier gibt es wirklich gute Bücher dazu.“

Lesestoff auf Rädern

Dürrlewang - Max und Moritz – so heißen nicht nur die beiden Lausbuben von Wilhelm Busch, sondern auch die zwei Bibliotheksbusse, die durch Stuttgart kurven. Sie besuchen die Stadtteile, die keine feste Bibliothek haben und vereinfachen dadurch den Menschen vor Ort den Zugang zu Büchern, DVDs und Hörbüchern. 22 Haltestellen haben die Fahrbibliotheken in der Stadt, gerade macht ein Bus Stopp in Dürrlewang. Im Inneren tummeln sich zwischen den vollbepackten Wandschränken mehrere Erwachsene und Kinder.

„Wir haben viele regelmäßige Besucher“, sagt Sabine Bofinger vom Bücherbusteam. Die Kunden begrüßt sie mit Namen, von den meisten kennt sie bereits die Vorlieben. „Es ist schön zu sehen, wie die Kinder mit ihrem Lesematerial mitwachsen“, findet die Bibliothekarin. „Anfangs kommen sie an der Hand ihrer Eltern, als Jugendliche bleiben sie dann eine Zeit lang weg, um dann als junge Erwachsene zurückzukommen“, erzählt sie. Sie berät sie immer – egal, ob zu Abenteuerbüchern oder schwierigen Referatsthemen für die Schule.

Der Bücherbus als Leseförderung

Jeweils etwa 5000 Medien kutschieren die beiden rollenden Büchereien durch die Gegend, im Depot im Stuttgarter Osten sind es weitere 35 000 Medien. Durch die Ausleihe wechselt das Sortiment ständig durch, außerdem werden laufend neue Bücher bestellt. Dass deutschlandweit die Ausleihezahlen in Bibliotheken in den vergangenen Jahren tendenziell gesunken sind, spiegelt sich zwar auch im Bücherbus leicht wider.

Doch das Angebot ist immer noch beliebt. Und es hat eine wichtige Aufgabe: Die Leseförderung bei Kindern. 17 Kindergärten und 21 Grundschulen steuern die Bücherbusse unter der Woche vormittags an. 2015 wurden mit der Leseförderung etwa 7800 Kinder erreicht und 2200 weitere in Kindergärten besucht. Als lebender Beweis für die Zahlen sitzen in der Sitzecke mehrere junge Leseratten. Für die Statistiken interessieren sie sich wohl herzlich wenig – sie schmökern lieber in ihren Büchern.