Der Wirtschaftsverband BDI hat die Politik zu einer industriepolitischen Agenda 2020 aufgerufen: die deutsche Industrie lehnt dabei die Steuererhöhungspläne der Opposition ebenso ab wie die Wahlgeschenke der Regierung.

Berlin - Der Wirtschaftsverband BDI hat die Politik zu einer industriepolitischen Agenda 2020 aufgerufen. Um die Krise in Europa zu überwinden, müsse die Industrie in Europa gestärkt werden, sagte der BDI-Präsident Ulrich Grillo auf dem Verbandstreffen in Berlin. Der BDI-Chef warnte die Politik davor, Wahlkampf gegen die Industrie zu führen. Stattdessen seien gemeinsame Ansätze notwendig, um Europa wieder auf Wachstumskurs zu bringen und die Jugendarbeitslosigkeit abzubauen. „Wir brauchen eine neue Welle von Investitionen in Ausbildung von Menschen genauso wie in neue Technologien.“ Als Maßnahmen einer industriepolitischen Agenda schlug er den Ausbau der europäischen Stromnetze und intelligente Verkehrssysteme vor. Außerdem solle in Europa das duale Ausbildungssystem eingeführt werden und Investitionen in Straßenbau und Schiene erhöht werden.

 

Grillo übt Kritik an den Wahlgeschenken der Regierung

Grillo sieht hier zu Lande einen günstigen Zeitpunkt für neue Weichenstellungen. Deutschland stehe an der Schwelle zu einem ausgeglichenen Bundeshaushalt. Kritik übte er an den Wahlgeschenken der Politik. Es sei unglaubwürdig, wenn Deutschland von seinen Partnern Sparsamkeit verlange und selbst die Einführung neuer Sozialleistungen plant. „Wir dürfen Reformen nicht leichtfertig verspielen.“

Kanzlerin Angela Merkel verteidigte bei ihrem Auftritt vor dem BDI die von der Union geplanten Erhöhungen bei der Mütterrenten und beim Kindergeld. Für diese Maßnahmen gebe es Spielraum in den Haushalten des Bundes und der Sozialversicherungen. Merkel erwartet in den nächsten Jahren Steuermehreinnahmen von 50 bis 60 Milliarden Euro. „Die kann ich doch investieren, ohne die Etatziele in Frage zu stellen“, so die Kanzlerin. Sie versicherte, es bleibe dabei, dass im Jahr 2015 ein ausgeglichener Bundeshaushalt vorgelegt werden soll. In den Jahren darauf sollten Schulden getilgt werden. Die zusätzlichen Leistungen für Mütter von rund sieben Milliarden Euro jährlich sollten aus der Rentenkasse bezahlt werden.

Industrie beklagt hohe Kosten des Erneuerbare-Energien-Gesetz

Die Industrie hält sich nach Grillos Darstellung wegen der Unsicherheit in der Energiepolitik, im Euroraum und in der Steuerpolitik mit Investitionen zurück. Es komme darauf an, dass eine neu gewählte Bundesregierung die Förderung der erneuerbaren Energien auf marktwirtschaftliche Prinzipien umstelle. Die Industrie klagt über die hohen Kosten durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Die deutsche Wirtschaft bringe jährlich rund zehn Milliarden Euro für das EEG auf, das sei die Hälfte der Gesamtkosten. Die deutschen Verbraucher und Unternehmen hätten im vergangenen Jahr 20 Milliarden Euro an die Erzeuger von erneuerbarem Strom bezahlt, dafür aber nur Strom im Marktwert von drei Milliarden Euro erhalten. Dies sei ein unhaltbarer Zustand. Merkel, FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler und der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagten nach der Wahl eine Reform zu.

Für schädlich hält der BDI die Steuererhöhungspläne der Opposition. Deutschland habe kein Einnahmeproblem, sondern müsse seine Ausgaben durchforsten, sagte Grillo. Steinbrück verteidigte die geplanten Steuererhöhungen: „Es wird sich an der steuerlichen Belastung der Unternehmen nichts ändern.“ Bei der von der SPD geplanten Erhöhung des Spitzensteuersatzes soll es für Personenunternehmen Freibeträge geben. Bei der Vermögensteuer sollen die Betriebe ausgenommen werden. Dies hält FDP-Chef Philipp Rösler für unglaubwürdig: „Eine Vermögensteuer ohne Substanzbesteuerung ist wie ein vegetarischer Schlachthof“, sagte er.