Besonders in Großstädten wählen die Menschen auch bei harmlosen Zwischenfällen immer öfter die Notfall-Nummer 112.

Lokales: Christine Bilger (ceb)
Stuttgart - Dieser Einsatz ist legendär: Die Stuttgarter Berufsfeuerwehr musste eines Morgens ausrücken, weil eine Frau eine Vogelspinne im Kinderzimmer entdeckt hatte. Die Helfer fingen das Tier und steckten es in eine Box. Zur Anekdote wurde die Geschichte, da es eine täuschend echte Plastikspinne aus dem Spielzeugfundus des Sprösslings war. "Dennoch war dieser Notruf gerechtfertigt", sagt der Sprecher und stellvertretende Einsatzleiter der Stuttgarter Branddirektion, Sebastian Fischer - die Mutter hätte ja nicht erst das Tier anfassen können, um zu testen, ob es lebe. Sobald Gefahr bestehe, sei es richtig und wichtig, die Nummer 112 zu wählen. Darauf weist die Branddirektion Stuttgart am Europäischen Tag des Notrufs hin, dessen Datumszahlen 11.2. der Nummer gleichen.

Auch wenn der Grundsatz gelte "lieber einmal zu viel als einmal zu wenig anzurufen", sind die Hilfskräfte oft erstaunt, dass die Notrufnummer wegen Kleinigkeiten gewählt werde. "Eine nachlassende Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung" nennt der Leiter der Landesfeuerwehrschule, Thomas Egelhaaf, das Phänomen, über das er beim Stuttgarter Feuerwehrsymposium referierte. "Früher hat ein Nachbar einen Mülleimer mit der Gießkanne gelöscht. Heute ruft man die Feuerwehr", sagt er. Das gelte auch, wenn nach einem Sturm Äste auf der Straße liegen. "Statt den Warnblinker einzuschalten und den Ast wegzutragen, verständigt man uns", sagt Sebastian Fischer. "Oft rufen unsere Leute dann an, weil sie meinen, sie sind nicht am richtigen Einsatzort. Sie können sich nicht vorstellen, dass sie wegen eines Stöckchens da sind", berichtet Fischer, der stellvertretender Einsatzleiter der Stuttgarter Branddirektion ist.

Verstädterung führt zu mehr Notrufen


Thomas Egelhaaf hat einen Erklärungsansatz für das veränderte Verhalten. "Unter anderem liegt das an der Verstädterung. Menschen auf dem Land können besser mit solchen Situationen umgehen - allein deshalb, weil sie eine Säge in der Garage haben, um den Ast aus dem Weg zu räumen", sagt der Feuerwehrschulleiter. Das sei in der Großstädten nicht der Fall.

Der Vorsitzende des Stuttgarter Stadtfeuerwehrverbands, Klaus Dalferth, kann auch von Nächten berichten, in denen er lieber im Bett geblieben wäre als auszurücken, "und ich helfe wirklich gern". Im vergangenen Sommer gab es solch eine Nacht. Bürger aus Stuttgarts Osten wählten 112, weil aus einem Blumenkübel Qualm quoll. "Da habe ich beherzt reingegriffen und eine Handvoll Erde mit einer brennenden Zigarettenkippe rausgeholt. Das war's."