Am Tag des offenen Denkmals strömen über 120 Interessierte in den Untergrund.

Weil der Stadt - Eine mittelalterliche Szenerie: Auf dem Marktplatz von Weil der Stadt herrscht reges Treiben. Händler preisen lautstark ihre Waren an, ein Hufschmied behaut ein stattliches Pferd. Es ist ein Kommen und Gehen. Durch das Gedränge schleicht ein Fremder mit weitem Umhang, wie ihn Reisende tragen. Dann verschwindet der Mann plötzlich in einem Keller direkt neben dem Rathaus. Wer ist der Fremde? Ein Kurier mit wichtigen Nachrichten für die Stadtoberen? Gut möglich. Aber wieso sucht er dann nicht direkt das Rathaus auf?

 

Die Szene, die sich vor der Kulisse des mittelalterlichen Weil der Stadt zuträgt, ist der Fantasie entsprungen. Aber einer, die der Realität nahekommen dürfte, wie Gerd Diebold weiß. Diebold, der in Weil sonst Nachtwächterführungen anbietet und 40 Jahre lang Wassermeister war, ist sich sicher, dass die unterirdischen Verbindungen zwischen den alten Kellern der Altstadthäuser auch dazu benutzt wurden, einst heimlich von einem zum anderen Haus zu gelangen. „Die Keller in der Oberstadt“, so Diebold, „stammen aus dem Mittelalter und sind viel älter als die heute dort stehenden Häuser“.

Spannendes Stück Stadtgeschichte

Das unterirdische Weil – ein spannendes Stück Stadtgeschichte also. Und es lockt am Tag des offenen Denkmals mehr als 120 Interessierte unter die Arkaden des Rathauses. Die Führung in den Untergrund unter dem Motto „Entdecken, was uns verbindet“ findet zum ersten Mal statt und zieht deshalb am Sonntagnachmittag bei weitem mehr Menschen an als erwartet. Die Begrüßung durch den 79-jährigen Gerd Diebold, der die Idee zur Führung hatte, fällt entsprechend beeindruckt aus: „Wellet ihr elle mit in dr Keller?“, fragt Diebold in die Menge und kündigt gleich darauf an, noch eine Zusatzführung anzubieten.

Dass Gerd Diebold sich in den Kellern der Weiler Altstadt auskennt wie kein Zweiter, hat seinen Grund: „Als Wassermeister musste ich 40 Jahre lang in alle Keller der Stadt, um die Wasseruhren abzulesen“, erklärt das Weiler Urgestein seinen Zuhörern. Dabei fielen ihm auch die alten Verbindungsgänge auf, die fast alle längst zugemauert waren. „In den 60er Jahren wurden viele Keller einfach auch zugeschüttet. Ein Schatz ging da verloren“, bedauert der Geschichtskenner. Am Beispiel des Ratskellers unter den Arkaden am Marktplatz, der ersten Station im Rundgang, sei gut zu erkennen, wo die alten Gänge verliefen. Auch ein alter Notausgang, der oben an einer der Säulen in einer kleiner Holztüre endet, ist noch zu sehen. Der Keller, erfährt man, reichte einst bis zum Geburtshaus von Johannes Kepler.

Most gegen Miete

Seinen Zuhörern erklärt Diebold auch, dass es im alten Weil nur in der Oberstadt tiefe Keller gab. In der sogenannten Spitalvorstadt seien die Keller ebenerdig gewesen, weil die Würmhochwasser die Keller überflutet hätten. So mancher lagerte deshalb seinen Most gegen Miete in einem der Keller der Oberstadt. „Auch wenn im Krieg die Sirenen aufheulten, sind wir natürlich hinunter. Da war es praktisch, dass man durch die Gänge von einem in den anderen Keller kam.“

Im Souterrain des Hauses, in dem heute das Heimatmuseum untergebracht ist, zeigt der 79-Jährige den staunenden Besuchern dann den zugemauerten Zugang zum benachbarten Alten Rathaus. „Wozu, wenn nicht für heimliche Besuche, war der da?“, fragt er in die Runde. Ein anderer unterirdischer Gang führte von der Häuserzeile quer unter dem Marktplatz hindurch. „Viele Gänge sind verschlossen worden, als am Ende des 19. Jahrhunderts in Württemberg Wasserleitungen in den Häusern gelegt wurden“, weiß Diebold. Wo früher, wie in allen Wohnhäusern, Kartoffeln, Dickrüben und Brotlaibe lagerten, schmückt heute neben einigen kleinen Mostfässern aber nur noch ein altes Weinfass aus der französischen Partnerstadt Riquewihr den alten Gewölbekeller unter dem Heimatmuseum

Schließlich ist im dritten Keller an diesem Nachmittag endlich auch ein offener unterirdischer Gang zu sehen, den die Besitzer stimmungsvoll ausgeleuchtet haben. Er endet im riesigen Keller unter dem sogenannten Steinhaus. Wann dieses mächtige Gewölbe, das schon Mönchen aus Herrenalb als Speicher diente, gebaut wurde, kann aber auch Gerd Diebold nicht sagen. Macht nichts! Für die vielen Interessierten, die an diesem Tag des offenen Denkmals mit in den Untergrund kamen, macht das das Erlebnis nur noch geheimnisvoller.