An den Tagen rund um Heilige Drei Könige hat der Verein Bahnprojekt Stuttgart-Ulm zum dritten Mal die Baustelle des Großprojekts für Interessierte geöffnet. Experten stehen Frage und Antwort.

Stuttgart - Die tiefen Regenwolken stören den kleinen Timo nicht. Mit seinem Papa wartet er, um in den „Bagger da hinter dem Zaun“ einzusteigen. Bei den Tagen der offenen Baustelle vom 5. bis zum 7. Januar konnten Interessierte nicht nur hinter die Kulissen des Bahnprojekts Stuttgart 21 schauen, sondern auch selbst Bauarbeiter spielen – mit Hilfe der Profis. Zum dritten Mal hatte der Verein Bahnprojekt Stuttgart-Ulm die Tore des Baugeländes am Hauptbahnhof geöffnet. Und mehr als 40 000 Besucherinnen und Besuchern folgten nach Angaben des Vereins der Einladung – so viele wie nie zuvor. „Das Interesse am Bahnprojekt Stuttgart 21 war, ist und bleibt ungebrochen“, sagte der erfreute Vereinsvorsitzende Georg Brunnhuber am Sonntag.

 

Das Angebot nutzten vom ersten Tag an viele Interessierte jeden Alters, einige kamen von außerhalb, etwa aus Baden-Baden oder Freiburg. „Meine Frau war gegen S 21, ich dafür, es gibt auf beiden Seiten Argumente“, sagte Ralf Davids aus Illingen, der mit seinem Bruder aus Hamburg die Baustelle erkundete. „Nun muss es fertig werden.“ Solche Veranstaltungen seien wichtig, damit man sich ein Bild machen könne. So sah das auch ein junges Paar aus Ravensburg, während ein Karlsruher betonte, dass ihn Baustellen reizten. Diesmal machten alle Projektpartner mit, erstmals das Land Baden-Württemberg, die Landeshauptstadt Stuttgart und die Flughafen Stuttgart GmbH. Auf der 600 Meter langen Baustelle warteten 13 Info-Standorte, etwa zu Themen wie Grundwassermanagement, Zentrale Baulogistik, Nesenbach-Abwasserkanal oder die Baugruben 12, 13 und 22.

400 Stahlstäbe kommen in einen Kelch

Zu den ersten gegossenen Kelchfüßen erklärte eine Ingenieurin, dass 28 davon das Dach hielten. In jedem steckten im Schnitt 750 Kubikmeter Beton sowie 350 Tonnen Stahl. 400 Stahlstäbe kämen in einen Kelch, jeder sei einzigartig. „Nummeriert ausgelegt ist das wie ein 3-D-Puzzle.“ Auf der Baustelle werde spezieller Beton hergestellt: „F 120. Wir wollen im Brandfall eine Evakuierungszeit von 120 Minuten.“ Dafür sorgten Kunststofffasern, die schmelzen und Hohlräume für das Wasser im Beton bildeten. „Wows“ gab es vor dem auf Hydrauliksäulen schwebenden Bahndirektionsbau. Ihn werden die Gleise künftig unterqueren.

Bei den „Querschnittsthemen“ interessierte vor allem die Finanzierung, so ein Bahnmitarbeiter. Auf Schildern waren unter anderem Projektpartner und Kostenverteilung aufgeführt: Demnach beträgt der aktuell von der Deutschen Bahn freigegebene Finanzierungsrahmen für den Tiefbahnhof 6,526 Milliarden Euro, die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ist mit 3,259 Milliarden Euro veranschlagt. Von der weiteren Kostensteigerung auf 7,6 Milliarden Euro, welche die Bahn inzwischen zugeben musste, war auf den Werbetafeln nicht die Rede.

Sprechklausel stößt auf Interesse

„Auch die ‚Sprechklausel’ interessierte einige“, sagte der Baustellenführer. Die Bahn hatte Ende 2016 gegen die Projektpartner Stadt, Land, Region und Flughafen geklagt: Diese sollen sich an den zwei Milliarden Euro Mehrkosten von Stuttgart 21 beteiligen, die bis dahin feststanden. Über die neuerliche Kostensteigerung muss zunächst noch der Bahn-Aufsichtsrat beraten.

Bei der Sitzung werden sich die Kontrolleure auch mit der erneuten Zeitverzögerung beschäftigen müssen. Mittlerweile steht 2024 als Eröffnungsjahr für S 21. Das war indirekt auch ein Thema auf der Baustelle. „Wir wollen im Rosensteinquartier Wohnungen bauen, 2018 kommt der städtebauliche Ideenwettbewerb“, sagte Baubürgermeister Peter Pätzold. „Die meisten Bürger fragen, wann es losgeht. Wir versuchen, alles so weit wie möglich vorzubereiten.“