Tom Buhrow ist jetzt WDR-Intendant. Am Sonntag moderiert er zum letzen Mal die „Tagesthemen“. Wird man sich am Montag noch an ihn erinnern?

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Berlin - Der „schönste TV-Moderator“ im Land ist der Mann mit dem schütteren Haupthaar fraglos nicht. Wir hatten es geahnt. In einer Emnid-Umfrage landet der „Tagesthemen“-Redakteur Tom Buhrow auf Platz elf – hinter den anderen Ankermännern (Anchormen) Peter Kloeppel von RTL (7) und Claus Kleber vom ZDF (8). Platz eins belegt Markus Lanz. Gemessen an seinem Image hätte Buhrow aber den Titel „Nettester Nachrichtenmoderator“ verdient. Das Etikett „nett“ klebt an ihm wie an keiner anderen Fernsehgröße.

 

Überall – ob bei Kollegen oder Geschäftspartnern – bietet sich das gleiche gefällige Bild. Es lässt sich aus eigener Anschauung bestätigen: Buhrow bietet eine entspannte Abendunterhaltung – locker, unaufdringlich, uneitel. Er fragt interessiert nach (Stuttgart 21 und so), erzählt von seinem aus den USA herbeigeschafften Megagrill und lästert dezent über die üblichen Kompetenzrangeleien der ARD-Sender, wer denn bei den „Tagesthemen“ den Kommentar sprechen darf. Dass er den Gastgeber der Tischrunde dabei in den Schatten stellt, ist Buhrow nicht anzukreiden – er ist eben ein gefragter Typ.

Die Kommunikationsfreude hat nur bedingt damit zu tun, dass er sich seine Gastmoderationen mit teilweise mehr als 10 000 Euro bezahlen ließ. Schon 2009 war      er mal wegen seiner Nebenjobs bei Firmen- und Fachtagungen in den Fokus geraten. Heute hat der      54-Jährige erst recht einen stattlichen Marktwert.

Sich verkaufen, das kann er: Ist Buhrow damit prädestiniert, den WDR – einen Sender mit einem Jahresetat von 1,4 Milliarden Euro und gut 4000 fest angestellten Mitarbeitern – aus den roten Haushaltszahlen und zu neuer Stärke zu führen? Allenthalben wird ihm angekreidet, dass die Managerqualitäten fehlen. Darüber hinaus hat die größte ARD-Anstalt mit Journalisten, die zu Intendanten aufgestiegen sind, gemischte Erfahrungen gemacht: Friedrich Nowottny war sehr respektiert, Fritz Pleitgen hatte mit der Verwaltung schon eher Probleme. Und Monika Piel hat die Kritik nie ganz verstummen lassen. So wird es nur für den Anfang reichen, dass Buhrow bei seinem Heimatsender noch viele Redakteure kennt und verkündet: Er wolle den Kollegen die Angst vor Fehlern nehmen und ein Intendant zum Anfassen sein. „Ich bleibe weiterhin der Tom – obwohl ich eigentlich Thomas heiße.“

Zupackende Interviews waren die Ausnahme

Auf dem Stuhl der „Tagesthemen“, den er am Sonntag letztmalig einnimmt, hat Buhrow in den fast sieben Jahren keine allzu eindrücklichen Spuren hinterlassen – anders als seine Vorgänger Ulrich Wickert und Hanns Joachim Friedrichs, auch als Sabine Christiansen. Gutmeinende mögen sagen, Buhrow habe die „Tagesthemen“ verständlicher gemacht. „Auf Augenhöhe“ wollte er mit den Zuschauern kommunizieren. Augenhöhe kann er auch bei Kindern, wenn er bei SWR 3 in der Serie „Tim fragt Tom“ Begriffe aus den Nachrichtenwelt erläutert. Das hat einen Sinn: In einer digitalisierten Medienwelt, bei der Hintergründe immer weniger zählen und kaum noch etwas vorausgesetzt werden darf, ist die Verständlichkeit der Sprache oberstes Gebot.

Böswillige hingegen werden sich schon am Montag nicht mehr an Buhrows Moderationen erinnern (wollen). Während der Welterklärer Claus Kleber seine Moderationen oft mit einer tieferen Botschaft verbindet und für mehr Inhalt nicht weniger schlichte Worte findet, hat Buhrow eher übergeleitet – oder auch trivialisiert.

Zupackende Politikerinterviews waren die Ausnahme. Buhrow verteidigt seinen Stil: „Das krampfhafte Bemühen, ein Interview hart aussehen zu lassen, kann in eine Sackgasse führen.“ Das Entscheidende sei gewesen, dem Interviewten brauchbare Antworten fürs Publikum zu entlocken.

Die Herausforderung für den Nachfolger hält sich in Grenzen

Einen nordkoreanischen Duktus, den Kleber der „Tagesschau“ despektierlich beimisst, hat die rheinländische Frohnatur Buhrow jedenfalls nie gezeigt. Allerdings wäre er auch nicht – wie Kleber – darauf gekommen, Irans Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zu besuchen, damit dieser seine antiisraelischen Parolen im deutschen Fernsehen verbreiten kann – quasi unwidersprochen transportiert.

Das Bemühen um journalistischen Tiefgang im ZDF ist bei der ARD schon deswegen nicht so stark verbreitet, da deren News-Moderatoren auf diversen bunten Hochzeiten tanzen – in TV-Plauderrunden oder sonst wo. Im vorigen Herbst hatte Buhrow sogar einen Gastauftritt beim „Tatort“, wo er sich in einer Minisequenz selbst spielte. Von Susan Stahnke oder Eva Herman soll hier besser gar nicht die Rede sein.

Es ist also keine übermächtige Herausforderung für den oder die Nachfolger, sich journalistisch abzuheben. Genannt wird vor allem Ingo Zamperoni, der auch in dieser Woche bei den „Tagesthemen“ ausgeholfen hat. Der Sohn einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters weicht von der buhrow’schen Linie freilich nicht ab – er moderiert ohne Ecken und Kanten. Die öffentlichen-rechtlichen Sender brauchen jüngere Zuschauer, doch trägt eine Verjüngung um jeden Preis nicht zur Profilbildung bei. Insofern könnte der als Wechselspieler gehandelte New-York-Korrespondent Thomas Roth eine interessante Ergänzung sein. Der Einsatz eines Weltenkenner mit journalistischem Anspruch hat ja auch im Fall Kleber funktioniert.

Und noch eins: „Morgen ist ein neuer Tag“, pflegte Buhrow die „Tagesthemen“ zu beenden. Was wollte er damit bloß sagen?