Egal ob im Kosmos, in Lebewesen oder in der Ethik: überall kommt es zu Störungen, wird die Symmetrie gebrochen. Darüber sprechen bei der Nationalen Akademie der Wissenschaften hochkarätige Forscher. Aber was haben die unterschiedlichen Themen miteinander zu tun?

Stuttgart - Als ich ein Kind war, hat mir ein Nachbar den Satz „Symmetrie ist die Ästhetik der Primitiven“ beigebracht. Ich war stolz, einen Satz mit so vielen Fremdwörtern zu beherrschen. Aber in den gut 30 Jahren, die seitdem vergangen sind, habe ich mich nicht weiter mit dem Thema beschäftigt. Nun fahre ich nach Halle an der Saale, wo die Nationale Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) sitzt. Sie lädt ein zu einer Tagung über Symmetrien in der Wissenschaft – oder besser gesagt zu einer Tagung über Asymmetrien, denn gerade die Brüche machen die Natur und das Leben interessant. Alles andere wäre ja zu einfach.

 

Das begann gleich nach dem Urknall: Damals entstanden zwar gleich große Mengen Materie und Antimaterie, die sich gleich wieder gegenseitig vernichteten – und am Ende blieb doch ein bisschen Materie übrig, aus der sich Sterne und Galaxien bilden konnten. Und es zieht sich bis in die Moral, wo das Prinzip „Auge um Auge“ als veraltet abgelehnt wird. Nur wenige sind zudem bereit, aus Symmetriegründen ihre rechte Wange hinzuhalten, nachdem sie auf die linke geschlagen worden sind. Dabei ist eines der stärksten moralischen Prinzipien symmetrisch angelegt: Was Du nicht willst, dass man Dir tu . . .

Ist die Tagung mehr als die Summe ihrer Vorträge?

Das Thema ist eines, wie es nur eine Akademie bearbeiten könne, schreibt der Akademiepräsident Jörg Hacker in der Einladung. Das kann schon sein, denkt man sich, aber ist es auch ein Thema, das eine Akademie bearbeiten sollte? Hier wird der populäre Gedanke der Interdisziplinarität strapaziert: Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp spricht über Symmetriestörungen in der bildenden Kunst und die Biophysikerin Petra Schwille über Musterbildung bei Einzellern. Es geht um Krebs, Elementarteilchen, Quasikristalle und Choreografie. Die Referenten sind hochkarätig, die Vorträge sicher gehaltvoll – aber wird sich im Laufe der Tagung ein größeres Bild zusammenfügen?

Wir werden sehen: Ich bin ja da und berichte auf Twitter (ich heiße dort: @methodenkritik). Der Vortragsreigen beginnt am Freitagvormittag mit einer Festrede der Bundeskanzlerin.

Nachtrag: Hier geht’s zu meinem Bericht von der Tagung in Halle.