Eine Boyband tourt durch Deutschland und ist dabei so erfolgreich wie nie. Take That singen für Amy Winehouse - und trinken Milch statt Wein.

Düsseldorf – Jetzt kann man es ja sagen. Unter den vielen, vielen Boybands, die es in den 90ern so gab, waren Take That immer die, auf die sich auch Jungs einigen konnten. Heimlich. Natürlich. Offen gesagt wäre das ja Ruf schädigend gewesen. Es sei denn, es ging um ein Mädchen und „Babe“ und, das, was Klammerblues hieß. Dann war das ausnahmsweise in Ordnung.

 

Seit den frühen 90ern ist viel passiert. 1996 haben sich Take That aufgelöst, 2005 wiedervereint, neue Alben produziert, Konzerte gegeben. So richtig interessiert hat die Neuauflage außerhalb Großbritanniens allerdings niemanden mehr. Schon gar nicht in Deutschland. Denn Deutschland war in Robbie Williams verliebt. Der wurde ab 1997 langsam zum Star, größer als Take That es jemals waren. Jetzt ist Robbie wieder Teil einer Band, die es eigentlich nicht mehr gibt. Das ist die Geschichte. Und die wird in einer gigantischen Show namens „Progress“ (Fortschritt) erzählt.

30 Minuten Robbie

Zu deren Beginn in Düsseldorf kommen Gary Barlow, Mark Owen, Howard Donald und Jason Orange so unspektakulär auf die Bühne, wie man es in einem Stadion, das über 60.000 fasst, eben tun kann. Ganz unironisch singen sie Songs aus der Post-Robbie-Ära: „Rule The World“, „Patience“. Sie klingen erwachsen, sehen gealtert aus, was ihnen gut steht. „Danke, dass ihr immer an uns geglaubt habt“, sagt Howard auf Deutsch. Ein paar Zehntausend jubeln. Die meisten warten auf Robbie Williams.

Als Robbie seinen (gut 30-minütigen) Soloauftritt bekommt, ist es, als habe jemand einen Schleier weggezogen. Jetzt begleitet ein schrilles Kreischkonzert „Let me entertain you“, jetzt ist da wieder die Rampensau, die noch mehr Extase fordert, über dem Publikum schwebt und „Alles fit im Schritt?“ fragt. Es ist, als wären seine letzten zwei gefloppten Soloalben nie erschienen.

"Angels" für Amy Winehouse

Es muss Zeiten gegeben haben, in denen Gary Barlow bei Auftritten wie diesen eine Faust in der Tasche formte. Jetzt sind Robbie und er wieder Teil einer Band, vielleicht sogar Freunde. Die „Reunion“-Tour hat beiden Seiten jedenfalls so viele Zuschauer eingebracht, wie sie es alleine nicht so leicht hinbekommen hätten: Fast drei Millionen.

Auch die so genannte Kehrseite des Showgeschäfts schwingt zwei Tage nach dem Tod von Amy Winehouse mit. Denn mit Robbie Williams steht da ja einer, der ebenfalls mit 27 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere schien - die Akohol- und Drogenprobleme hatte er schon mit 19, deshalb warfen sie ihn 1995 bei Take That raus. Der verstorbenen Winehouse und den Opfern der Anschläge von Norwegen widmet Williams „Angels“. Im Vorprogramm hatten schon die Pet Shop Boys „West End Girls“ für Amy Winehouse gespielt.

Anstoßen mit Milch

Im dritten Teil des Konzerts stößt Barlow mit Rotwein auf die Band an, Williams und Owen – beide hatten Alkoholprobleme – bekommen Milch. Klar, das ist so durchchoreopgraphiert wie die ganze Show. Aber wer das bei einer Boyband schlimm findet, wundert sich auch, warum ein Singer-Songwirter beim Konzert so viel plaudert.

Zum Ende wächst das Konzert über sich hinaus. Eine ausgelassene Show mit Effekten aus Wasser, Feuer, Licht und Tänzern geht über die gigantische Bühne. Deren Zentrum ist die riesige Menschmaschine namens „Om“, die die fünf Männer von Take That sogar mal auf Händen trägt. Mit Sicherheit eine der spektakulären Produktionen, die man auf dem Kontinent derzeit sehen kann.

Am Ende fehlt nichts. Nicht „Back for good“, nicht „Never forget“. Bleibt nur die Frage: Wie geht es jetzt weiter?

Am 29. Juli spielen Take That im Münchener Olympiastadion.