Die Offene Bühne des Fellbacher Kunstvereins feiert ihre Open-Air-Premiere . Wegen Corona wird die bewährte Reihe ins Freie verlegt. Die Talentshow hat eine feste Fangemeinde.

Fellbach - Ein Hocker, ein Mikrofon und aufflammendes Bühnenlicht: so sieht für Künstler ein vielversprechender Anfang aus. Zumindest dann, wenn sie schon Bühnenerfahrung haben und wissen, wie man Lampenfieber im Zaum hält.

 

Ein Mikrofon, an das auch nervöse Anfänger gerne treten, stand bisher im Kleinkunstkeller unter der Buchhandlung Lack. Dort bot der Fellbacher Kunstverein mit seinem Format der Offenen Bühne viermal im Jahr eine Talentshow an. Ohne Corona wäre das Jubiläum von 25 Abenden schon im April des vergangenen Jahres fällig gewesen. So aber gibt es die 25. Ausgabe erst am kommenden Samstag, mit mehr als einem Jahr Verspätung. Wegen der Pandemie wird es zugleich eine Premiere sein.

Denn zum allerersten Mal wird die Offene Bühne auf dem Kunststückle stattfinden, dem Grundstück an der Esslinger Straße, das der Kunstverein seit der Remstal-Gartenschau gärtnerisch wie künstlerisch betreut. Es ist zwischen Minigolfplatz und Pflanzen-Kölle gelegen. Das treue Stammpublikum der Talentshow dürfte sich nicht abhalten lassen und auch dorthin gerne kommen – und den Nachwuchskünstlern wie immer bieten, was ihnen mehr als alles andere den Einstieg ins Bühnenleben vereinfacht: ein Gegenüber, das auch ein Scheitern belohnt, weil es den Mut zu Neuem schätzt.

Der erste Schritt zur Professionalität

Das weiß niemand besser als Uwe Kasner. Jahrzehnte reiste der Fellbacher als Bauchredner Addy Axon quer durch Deutschland. Dann kam der Ruhestand, und Kasner brauchte eine neue Aufgabe. Er fand sie beim Kunstverein Fellbach. Gut die Hälfte der 25 Abende aus der Reihe hat er seither moderiert. Und noch immer freut er sich auf jeden einzelnen Auftritt: „Ich finde es einfach klasse, wenn jemand bereit ist, etwas Neues auszuprobieren“, sagt Kasner. „Und unsere Offene Bühne ist geradezu perfekt für alle, die den ersten Entschluss gefasst haben, aber noch ganz am Anfang ihrer professionellen Laufbahn stehen.“

Deren Vorauswahl trifft Doris Finkelmeier – bei ihr gehen die Bewerbungen ein. Vor Corona konnte sie sich vor Nachfragen kaum retten. Der Andrang sei immer sehr groß gewesen, erzählt sie. Dabei achte sie vor allem auf eines: die Darbietungen müssten möglichst unterschiedlich sein. „Ich liebe die Vielfalt“, sagt sie. Und Vielfalt sei schließlich auch eine Stärke des Kunstvereins. Für den kommenden Samstag war es allerdings angesichts der kurzen Vorlaufzeit nicht ganz so einfach, den Abend zu bestücken.

Auch erfahrene Künstler probieren hier gerne Neues aus

Aus Stuttgart kommt nun der Poetry Slammer Andre Weller, der Erfahrungen aus den vergangenen 16 Monaten zum „Bericht eines Dorfjungen“ verdichtet. Ein Vater-Tochter-Duo bietet Italopop mit Gitarrenbegleitung. Ein Höhepunkt dürfte der Auftritt des Zauberers Jürgen Metzger sein, des dritten externen Künstlers. Den Rest des Programms bestreiten erfahrene Fellbacher Künstler: Franzi 3Bach, die Chefin der vereinseigenen Wortköche, wird mit Kerstin Fydrich den Hunger auf Literatur stillen. Der Maler Meinrad Hoyer liefert live eine Painting-Performance. Zum Abschluss spielen vier „altgediente Haudegen“ aus dem Verein, die Lust haben, etwas ganz Neues auszuprobieren: Martin Storz, Michael Dising, Lino Brendel und Ingo Ernst, sagt Doris Finkelmeier, versuchten sich mit Traditionals, Country, Folk & Rockabilly.

Tatsächlich hat die Fellbacher Talentshow von Anfang an auch erfahrene Künstler angezogen, die nicht mehr ganz am Anfang ihrer Laufbahn stehen. Denn die Offene Bühne ist der perfekte Rahmen, um etwas völlig Neues auszuprobieren, ein Labor für wilde Experimente – genau wie die Rosenau in Stuttgart.

Bei einem bezahlten Auftritt, sagt Kasner, könne man schließlich kein Experiment wagen, von dem man noch gar nicht wisse, wie es ankomme. Diesen Labor-Effekt haben in der Vergangenheit schon einige bekannte Künstler genutzt: Zur Legende geworden ist beispielsweise ein Auftritt des Fellbacher Opernsängers Matthias Klink mit seiner Bluesband Jabb vor zwei Jahren, damals noch im Kleinkunstkeller. Seither erfreut sich die Band einer regen Nachfrage. Auch in Fellbach tritt sie demnächst wieder auf.

Neue Horizonte ins Visier nehmen

Vorgenommen hat sich Moderator Kasner für den Samstagabend bislang nur eines: dass das Thema Corona den Abend nicht dominieren darf. Er habe genug Kabarettauftritte in den letzten Wochen erlebt, bei denen das Thema über Gebühr beansprucht worden sei. „Ich will jetzt zur Abwechslung mal wieder den Horizont ins Visier nehmen“, sagt der Moderator – und das dürfte auch dem Geschmack des Publikums entsprechen.

Das Programm beginnt am 26. Juni 2021 um 18.30 Uhr, Zuschauer sollten mit der Luca-App einchecken oder ihre Daten hinterlassen. Es gibt Getränke gegen eine Spende.