In der Talksendung „Hart aber fair“ haben Gesundheitsexperten darüber diskutiert, ob der Astrazeneca-Impfstopp die richtige Entscheidung war – und worauf verunsicherte Zuschauer nach einer Impfung achten müssen.

Digital Desk: Jörg Breithut (jbr)

Stuttgart - Die Zuschauer sind verängstigt. Mütter sorgen sich um ihre Töchter, die mit dem britisch-schwedischen Corona-Impfstoff Astrazeneca geimpft worden sind. Eine Helferin aus einem Impfzentrum fragt sich, wie es den Menschen wohl geht, die einen Astrazeneca-Aufkleber in ihrem Impfpass haben. Und Geimpfte wollen wissen, woran sie Komplikationen erkennen.

 

Die Verunsicherung war ein Grund für die Redaktion, das Thema der Sendung „Hart aber fair“ fünf Stunden vor Beginn umzuwerfen und doch nicht über die Zukunft der CDU zu reden. Stattdessen diskutierten Experten am Montagabend über die Notbremse der Regierung, den Corona-Impfstoff Astrazeneca vorübergehend nicht mehr einzusetzen.

Hintergrund sind unter anderem sieben in Deutschland gemeldete Fälle von Thrombosen der Hirnvenen, die mit Astrazeneca-Impfungen im zeitlichen Zusammenhang stehen könnten. Etwa 1,7 Millionen Impfungen sind in Deutschland mit Astrazeneca bereits durchgeführt worden.

Mit Transparenz gegen Impfgegner

Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar hält die Impfstopp-Entscheidung für richtig. „Wir reden hier von einigen Dingen, die wirklich gefährlich sind und tödlich enden können“, sagte Yogeshwar in der Sendung. Auch kleine Risiken würden berücksichtigt. Da müsse man nachfassen, „das halte ich persönlich für richtig“. Es gebe auch hier in Deutschland eine gewisse Impfskepsis, sagte der Journalist. Mit Transparenz ist es seiner Meinung nach möglich, Impfgegnern zu begegnen.

Lesen Sie hier: Was bedeutet der Astrazeneca-Rückschlag für den „Impfturbo“?

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht das anders. Er hält den Impfstopp für einen Fehler. Und das, obwohl die Komplikationen „mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auf den Impfstoff zurückzuführen“ seien, da es sich um sehr seltene Hirnvenenthrombosen handle, die sonst etwa 50 Mal pro Jahr in Deutschland vorkommen.

 

Aber man müsse das Risiko ins Verhältnis setzen, sagt Lauterbach. Es treffe etwa einen Geimpften von etwa 250.000. Der Impfstopp habe drastischere Folgen bei den Nichtgeimpften. „Wir gehen in eine fulminante dritte Welle rein.“ Daher würde der SPD-Politiker die Impfungen weiterlaufen lassen, während die Fälle untersucht werden. „Der Nutzen ist im Verhältnis mit dem Schaden gut vertretbar“, sagt Lauterbach. Sollte der Impfstoff wegfallen, „wäre das eine Katastrophe“.

Lesen Sie hier: So geht es mit den Impfterminen im Südwesten weiter

Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, bezeichnet den Impfstopp zwar als Rückschritt, hält die Entscheidung der Regierung aber für richtig. „Die Nerven liegen blank“, sagt Gassen. Dennoch sollte man die Risiken kennen, um sie klar kommunizieren zu können. „Man bekommt die Kurve nur mit Transparenz.“

Verunsicherte Zuschauer, die mit Astrazeneca geimpft worden sind, sollten auf kleine blaue Punkte auf der Haut achten und bei Kopfschmerzen einige Tage nach der Impfung ärztlichen Rat einholen. Von Selbstmedikation mit blutverdünnenden Mitteln rät Gassen ab. Zunächst müssten die Zusammenhänge geklärt werden. „Man sollte sich jetzt nicht verrückt machen“, sagt Gassen.

Gassen selbst sei als Mediziner bereits mit Astrazeneca geimpft und würde sich nach eigenen Angaben auch die zweite Impfung geben lassen. Bei dieser Frage sind sich tatsächlich alle Talkshow-Teilnehmer einig: Auch alle anderen in der Runde würden sich mit Astrazenca impfen lassen.