Der Popliterat als Moderator: Benjamin von Stuckrad-Barre startet bei ZDF-Neo seine Gesprächssendung. Erster Gast: Thilo Sarrazin.

Stuttgart - Was Westerwelle wohl gedacht hat, als er von Benjamin von Stuckrad-Barre in einem Restaurant erspäht und gefragt wurde, ob er, der Herr Minister, nicht Lust hätte, sich noch einmal mit ihm zu treffen? Diesmal jedoch im Fernsehen, bei ZDF-Neo, denn er habe dort jetzt eine eigene Late-Night-Show?

Es ist noch nicht lange her, dass Stuckrad-Barre den Politiker im Wahlkampf begleitet hat, um ihn für ein Buch zu porträtieren. Es heißt "Auch Deutsche unter den Opfern" und bietet gestochen scharfe, heiter ironische Momentaufnahmen aus der Berliner Republik. Und es zeigt ihn, den "Popliteraten", von einer neuen Seite. "Der genialste Autor aus unserem schönen Lande und der wohl absolut geilste Typ unter der Sonne", so beschreibt er sich selber bei Facebook – wobei man sich nicht sicher sein kann, wer sich hinter diesem Selbstbild verbirgt: ein Berufsprovokateur, der mit seinem Image als Schnösel kokettiert, oder ein Hanswurst mit ADS, mit Aufmerksamkeits-Defizitsyndrom.

In seiner Rolle als Reporter kommt er ohne solche Superlative aus. Da ist er souverän genug, hinter den Gegenstand seiner Berichterstattung zurückzutreten. Einen heiteren "Eckensteherjournalisten", so hat ihn die "Zeit" in einer Eloge genannt. Und auch auf Westerwelle muss er auf Anhieb einen sympathischen Eindruck gemacht haben: als stets elegant gekleideter Beau mit kantigem Schädel, den man bei Presseterminen daran erkennt, dass er einen strapazierfähigen, aber bereits ausgefransten Beutel mit sich trägt, in dem er alles verstaut, was man als Reporter für die Blätter des Springer-Verlags so braucht.

Der Blick hinter Westerwelles Fassade


Er braucht ein Notizbuch, mehrere Stifte, eine Kamera, ein Tonbandgerät, Kaugummi und Zigaretten, sagt er bei der Vorstellung seiner Show im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin – und nicht zu vergessen ein Mittel zum Desinfizieren der Hände. "Sterillium, der ideale Flachmann für Ansteckungsphobiker wie mich", sagt Stuckrad-Barre, "das riecht auch gut, man hat das Gefühl, Medizin studiert zu haben." Nun, Westerwelle ließ sich von diesem Geruch offensichtlich nicht abschrecken.

Jedenfalls gelang es dem Reporter, in seinem Buch einen Blick hinter die Fassade jenes Politikers zu erhaschen, der wie kaum ein zweiter unter dem Eitelkeitsverdacht steht. Angesprochen auf seine von Akne zerfurchte Haut gestand der Minister, er habe viel Zeit bei Hautärzten verbracht. Wenn es sich vermeiden lasse, verzichte er heute trotzdem auf jegliche Maskenbildnerei.