Die Band Tamikrest aus Mali verbindet Tuareg-Musik mit Blues, Krautrock und sogar Post Punk. Das Konzert in der Manufaktur Schorndorf beeindruckt. Doch der Blick auf die Bühne offenbart etwas Seltsames. 

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Wenn man der Band Tamikrest einfach nur zuhört, zum Beispiel wenn man ihre aktuelle Platte "Kidal" abspielt, dann hört man Wundersames: Gesänge in einer fremden Sprache, dicht und auf geradezu hypnotische Weise klanglich präsent, dazu einen satten Bass, dazu immer nur ganz leicht aus der Spur geratende, sanft dahinfließende Krautrock-Gitarrenläufe, ab und an etwas Perkussion, darunter ein straight gespieltes, vertraut groovendes Schlagzeug. Die Band, das soll die zwingend defizitäre Beschreibung eines solchen Sounds in Worten sagen, verbindet westlichen Normalhörern Bekanntes mit einer sanften Wüstenexotik, die sich den Allermeisten schon deshalb nie ganz erschließen kann, weil hierzulande kaum jemand die Sprache Tamaschek sprechen dürfte, in der Tamikrest ihre Texte abfassen.

 

Wer beim Tamikrest-Konzert in der ordentlich gefüllten Manufaktur Schorndorf am Mitwochabend die Augen zumacht, hat ungefähr dieses Hörerlebnis. Wer die Augen aufmacht, ist dann vielleicht überrascht. Denn nur drei von fünf Mitgliedern der Band Tamikrest, wie sie an diesem Abend auf der Bühne steht, stammen tatsächlich aus Mali. Schlagzeug und Gitarre besorgen die Franzosen Nicolas Grupp und Paul Salvagnac. Die beiden haben auch das aktuelle Tamikrest-Album mit eingespielt und sind auf dem Cover als Bandmitglieder genannt, Salvagnac war bereits 2013 bei den Aufnahmen für "Chatma" dabei. 

Das ist alles nur Schilderung, keine Kritik - warum sollte eine Band, die westliche Rock- und traditionelle Tuareg-Musik nicht sowohl aus Europäern als auch aus Tuareg bestehen? Dennoch soll die Bandbesetzung hier erwähnt sein, weil Tamikrest bei ihren ersten Auftritten in der Gegend (im Laboratorium Stuttgart) noch als rein malische Band auf die Bühne traten. Und weil das, wenig verwunderlich, auch die gespielte Musik maßgeblich beeinflusst. 

Weltmusik 2.0?

"Die Musik verändert sich, also verändert sich auch die Besetzung", sagt der Perkussionist Agaly Ag Mohamedine nach dem Konzert in Schorndorf. Tamikrest sind am Mittwochabend für westliche Ohren zugänglicher als bei den besagten Lab-Konzerten. Das Schlagzeug wird härter, direkter gespielt, Nicolas Grupp gibt dem Sound mit seinem Gitarrenspiel mehr Tiefe. Schön zu sehen ist, dass sich der Tuareg-Teil der Band dem in Mimik und Gestik so gar nicht anpasst.

Grupps Gitarren eröffnen vereinzelt Post-Punk-Klangweiten, Soli wachsen sich psychedelisch aus, die Songs werden gerade zum Konzertende hin so etwas wie Hardrock-Stomper - an Mimik und Gestik der drei afrikanischen Musiker ändert das rein gar nichts. Stoisch bedienen sie ihre Instrumente, große Posen oder verzerrte Gesichtszüge kommen bei ihnen nicht vor - die Show so manch rein westlicher Rockband wirkt dagegen regelrecht clownesk, die Künstler aus Mali hingegen wie Weise aus der Wüste, die ihr Ding durchziehen und dabei jetzt halt ein bisschen anders klingen. Genau deshalb sind Tamikrest nicht Weltmusik 2.0, sondern ein Beispiel für eine - allerdings sehr weit Richtung westliche Musik fortgeschrittene - erfolgreiche Verbindung von Rock und Tuareg-Folk, und zwar musikalisch wie auch menschlich.

Dass Wüste und Wah-Wah bestens zusammengehen, weiß man hierzulande zum Beispiel durch die von drei Stuttgarter Filmemachern produzierte Doku "A Story of Sahel Sounds", über die wir hier geschrieben haben. Im Gespräch mit den Filmemachern kam indes heraus, dass diese Art von Musik in der Region Stuttgart eher selten gespielt wird - typischerweise im Lab oder beim Sommerfestival der Kulturen. Dass sich die Manufaktur Schorndorf jetzt (nach dem Tamikrest-Gig 2010) erneut als weitere Spielstätte für diese Musik anbietet, ist erfreulich - auch, weil in genau drei Monaten, am 3. August, Tinariwen dort gastieren. Die sind eine der dienstältesten Sahel-trifft-Rock-Bands und Vorbilder von Tamikrest.

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