Der frühere Ortsbaumeister Martin Bernhard verließ die Gemeinde Tamm 2008, weil er den Führungsstil des amtierenden Bürgermeisters Roland Zeller nicht mittragen konnte, wie er sagt. Am Sonntag tritt er bei der Bürgermeisterwahl gegen seinen früheren Chef an. Im Doppelinterview sprechen die Kontrahenten über ihr ungewöhnliches Duell.

Die beiden Tammer Bürgermeister-Kandidaten kennen sich seit 1993, sie haben zusammengearbeitet – aber näher gebracht hat sie das nicht – im Gegenteil. Im Doppelinterview sprechen Bürgermeister Roland Zeller (53) und Herausforder Martin Bernhard (54), beide parteilos, über ihr ungewöhnliches Duell.D
Herr Zeller, Herr Bernhard, stellen Sie sich vor, Sie werden zum Bürgermeister gewählt, aber nur für ein Jahr. Was gehen Sie an?
Roland Zeller Kinderbetreuung ist das brennende Thema. In der Pflicht haben wir in Tamm zwar alles, aber in der Kür fehlt es. Zudem gibt es viele Eltern, die beide arbeiten möchten oder müssen. Diese Eltern wünschen sich eine Betreuung von hoher Qualität ab dem ersten Lebensjahr und ganztags. Das ist eine Herausforderung.
Martin Bernhard Gute Betreuungs- und Bildungsangebote müssen selbstverständlich stetig weiter entwickelt und gefördert werden. Aber vordringlich ist im Moment, das Verkehrsproblem anzupacken. Denn darunter leiden wir alle Tag für Tag. Wir müssen zusammen mit unseren Nachbargemeinden eine Entlastung erreichen, um unsere Lebensqualität zu erhöhen.
Herr Bernhard, Sie haben Tamm nach 14 Jahren als Ortsbaumeister verlassen – wegen des Führungsstils des Bürgermeisters, wie Sie sagen. Jetzt treten Sie gegen ihn an. Was bedeutet das für den Wahlkampf?
Bernhard Für mich nichts. Ich führe eine sachliche Auseinandersetzung. Dass wir unterschiedliche Arbeitsweisen haben, hat damals dazu geführt, das Angebot anzunehmen, beruflich zur Großen Kreisstadt Remseck zu wechseln. Ich bin es gewohnt, zielorientiert und strukturiert zu handeln. Die Rahmenbedingungen dafür habe ich hier nicht mehr vorgefunden.
Roland Zeller will Bürgermeister bleiben. Foto: Simon Granville / factum
Was entgegnen Sie, Herr Zeller?
Zeller Wenn man Kämmerer und Erster Beigeordneter war und dann als Bürgermeister plötzlich alle Werkzeuge in der Hand hat, dann muss man seine Ziele stecken und vorgeben. Das habe ich getan. Ich habe eigentlich einen ganz offenen Arbeitsstil: Ich gebe die Ziele vor und die Ämter arbeiten danach. Das hatte natürlich auch Konsequenzen im Bauamt, weil ich eigene Vorstellungen hatte von den Projekten, die am Laufen waren, wie etwa bei Details zum Bürgersaal. Selbstverständlich habe ich als Bürgermeister meine Führungsaufgabe ernst genommen, nämlich die Amtsleiter mit ins Team zu nehmen, aber auch Vorgaben zu geben. Das ist sicher passiert, aber im Sinne der Sache.
Herr Zeller, Ihr Konkurrent wirft Ihnen vor, dass Vorschläge aus der Bürgerbeteiligung in der Schublade verschwunden sind. Können Sie das nachvollziehen?
Zeller Wie überall im Kommunalen müssen Sie Zeit geben, wenn Sie eine langfristige, gute Entwicklung wollen. Neue Straßen oder einen Radweg können Sie nicht über Nacht machen, das muss durchdacht sein. Uns war wichtig, dass die Top 20 der Vorschläge, die aus der Bürgerbeteiligung gekommen sind, abgearbeitet werden. Diese Top 20 sind in Arbeit, das steht auch auf unserer Homepage. Somit verstehe ich den Vorwurf nicht. Und wir haben über das Amtsblatt mehrfach zu unterschiedlichen Themen an unterschiedliche Orte eingeladen. Herr Bernhard, Sie hätten als Gemeinderat auch gerne einen Antrag stellen können, welche Pläne wir zusätzlich aus der Schublade hätten nehmen sollen.
Bernhard Das ist nicht die Art von Bürgerbeteiligung, wie ich sie verstehe. Bürgerbeteiligung ist für mich ein fortzuschreibender Prozess, der transparent handzuhaben ist. 2011 wurde eine Bürgerwerkstatt und eine Gemeinderatsklausur durchgeführt, Ergebnisse wurden am 30. Januar 2012 veröffentlicht. Seitdem ist nichts passiert, was den Tammer Bürgern das Gefühl gibt, dass ihre Anregungen ernst genommen werden und zu einem Ergebnis führen. Sie, Herr Zeller, hätten die Top 20 auf ihre Machbarkeit prüfen, mit Zahlen unterlegen und spätestens ein halbes Jahr danach einen Fahrplan vorstellen müssen. Die Bürger müssen wissen, wohin die Reise geht und was für Kosten entstehen. In Sachen transparente Bürgerbeteiligung konnte ich in Remseck die nötige Erfahrung sammeln. Dort werden die Bürger mitgenommen.