Tanja Gönner war die starke Frau im Kabinett von Stefan Mappus. Nun ist sie unverhofft in den Strudel der Niederlage geraten.  

Stuttgart - Tanja Gönner galt immer als durchsetzungsstark und gradlinig. Noch nie aber hat man sie so irrlichtern sehen wie seit dem Wahlabend am vergangenen Sonntag. Während sich ältere und gesetztere Kabinettskollegen zwar langsam, letztlich aber doch demütig der Einsicht beugten, dass sie den Zenit ihres politischen Lebens zumindest überschritten haben, kämpfte die bisherige Umwelt- und Verkehrsministerin um ihre Zukunft als Hoffnungsträgerin der CDU.

 

Das Ämterreservoir einer Oppositionspartei ist übersichtlich. Es gibt den Fraktionsvorsitz, von dem die 41-Jährige respektvoll sagt, dass er die Speerspitze der Partei in Oppositionszeiten bildet. Nur der Fraktionschef verfügt über einen Apparat, mit dem sich der Regierung einigermaßen Paroli bieten lässt. Nur er genießt eine mediale Aufmerksamkeit, die über Spurenelemente der öffentlichen Beachtung hinausreicht. Allein schon aus diesem Grund musste sich die ehrgeizige Politikerin für diesen Posten interessieren.

Es wurde dann aber ein ziemliches Hickhack. Die Kandidatur stand von vornherein unter schlechten Vorzeichen. Ihre Bewerbung sei von Berlin gesteuert, monierten Parteifreunde. Auch Stefan Mappus, der Wahlverlierer, wolle sie durchsetzen. Gönner ging forsch an die Sache heran und erklärte, Fraktionsvorsitz und Parteivorsitz gehörten in eine Hand, sie stehe zur Verfügung. Stunden vor der Wahl in der Fraktion platzierte sie dann aber eine Tickermeldung, in der sie für eine Vertagung plädierte. Nach der Niederlage hielt sie sich offen, im Mai doch noch für den Parteivorsitz zu kandidieren. Das Schlingern ist den Unwägbarkeiten der Situation geschuldet, insofern verständlich, aber doch ganz anders, als man es von Tanja Gönner kennt.

Kompetent, unduldsam und autoritär

Als Frontfrau im Streit über Stuttgart 21 hatte sie es zu bundesweiter Bekanntheit gebracht – nicht zuletzt durch ihr beharrliches Eintreten für das Projekt. Ihre selbstsicheren, auf der Grenze zum immerwährenden Rechthaben balancierenden Beweisführungen zeigte den Zuschauern diverser Fernsehtalkshows, dass sich unter einer schwäbelnden Lautbildung scharfe Argumente verbergen können. Gönner sah sich im Konflikt über das Bahnprojekt Anfeindungen ausgesetzt, wusste damit aber umzugehen. Damit qualifizierte sie sich in der CDU für höhere Aufgaben. „Ich halte sie für hochintelligent und bienenfleißig“, urteilte in dieser Zeit ein CDU-Insider. Sie habe allerdings einen Fehler: „Sie labt sich an den Niederlagen ihrer Gegner.“ Solches ist häufiger zu hören, wenn man nach Tanja Gönner fragt: Kompetent sei sie, aber auch unduldsam und ziemlich autoritär. Es gibt Christdemokraten, die Angst vor ihr haben – oder jedenfalls hatten.

2002 wurde sie in Bundestag gewählt, zwei Jahre später jedoch von Erwin Teufel, der ihr Talent erkannte, als Sozialministerin ins Landeskabinett geholt. Auch dort hielt sie es nicht lange aus. Teufels Nachfolger Günther Oettinger ernannte sie zur Umweltministerin. Stefan Mappus gab ihr das Verkehrsministerium dazu. Eine heimliche Superministerin war geboren, die zusammen mit Mappus die Machtachse im Stuttgarter Kabinett bildete. Manche in der Partei sagten, Gönner sei der kluge Kopf, Mappus der starke Arm. Beide eint ein Vertrauensverhältnis. Nun allerdings ist Tanja Gönner entzaubert.

Und doch bleiben ihr Möglichkeiten. Sie steht in der Gunst von Angela Merkel und ist mit Bundesforschungsministerin Annette Schavan verbündet. Volker Kauder, der Chef der Bundestagsfraktion, ist ihr gewogen. Für Gönner könnte daher der Tag kommen, an dem es heißt: letzte Ausfahrt Berlin.