Seit Mittwoch gelten die niedrigeren Energiesteuersätze auf Kraftstoffe. Die Entlastung scheint besser als befürchtet an den Tanksäulen anzukommen. Aber bleibt das auch so?

Seit dem 1. Juni gelten die niedrigeren Energiesteuersätze auf Kraftstoffe, mit denen die Bundesregierung Bürgerinnen und Bürger von gestiegenen Energiekosten entlasten will. Im Vorfeld hatte die Mineralölbranche vor allzu hohen Erwartungen gewarnt. In der Tat fiel die Preissenkung an den Tankstellen sehr unterschiedlich aus.

 

Was sich geändert hat

Vom 1. Juni bis 31. August hat die Bundesregierung die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europarechtlich vorgegebene Mindestmaß reduziert. Konkret heißt das, dass die Energiesteuer auf einen Liter Diesel von 47,04 Cent vorübergehend um 14,04 Cent fällt, für einen Liter E10 reduziert sich der Betrag um 29,55 Cent, für ein Kilo Erdgas um 6,16 Cent und für einen Liter Flüssiggas um 12,66 Cent. Geregelt ist das in einem eigenen Gesetz, das am 20. Mai beschlossen wurde.

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Die Energiesteuer und ihre Bedeutung

Mit der Energiesteuer wurde 2007 die Mineralölsteuer abgelöst. Der Bund hat damit nach Angaben des Bundesfinanzministeriums im vergangenen Jahr rund 37 Milliarden Euro eingenommen. Damit ist die Energiesteuer nach der Umsatz- und der Lohnsteuer die Steuer mit dem drittgrößten Volumen und die aufkommenstärkste Bundessteuer. Durch die temporäre Absenkung rechnet Finanzminister Christian Lindner mit Mindereinnahmen in Höhe von 3,15 Milliarden Euro. Erhoben wird die Energiesteuer beim Hersteller oder bei einem Weiterverkäufer – also in Raffinerien und Tanklagern.

Preisgeschehen am 1. Juni

Laut dem ADAC hat die Energiesteuersenkung am Mittwochvormittag bereits zu großen Teilen an den Preistafeln der Tankstellen durchgeschlagen. E10 war zum Stichzeitpunkt 9.50 Uhr laut dem Autolobbyverband rund 30 Cent pro Liter billiger als 24 Stunden zuvor, Diesel rund 14 Cent. „Die Senkung heute Morgen ging schneller als erwartet. Das ist schon mal ein guter Schritt in die richtige Richtung. Es fehlt aber noch ein gutes Stück“, sagte ADAC-Experte Christian Laberer. Inklusive Mehrwertsteuer beträgt die Entlastung bei E10 insgesamt 35,2 Cent pro Liter, bei Diesel 16,7 Cent. Eine Stichprobe unserer Redaktion ergab allerdings ein differenzierteres Bild: So zeigte eine Abfrage mit der Tank-App Clever Tanken für Benzin E10 rund um Stuttgart-Möhringen eine Preisspanne von 1,769 bis 1,839 Euro je Liter und damit eine deutliche Senkung gegenüber dem Vortag. Rund um Münsingen auf der Schwäbischen Alb lag die günstigste Tankstelle aber bei 1,819 Euro pro Liter E10, die teuerste Konkurrentin bei 2,099 Euro. Und im Raum Freudenstadt kostete der Liter E10 zwischen 1,879 und 2,149 Euro, was einer Spanne von 27 Cent entspricht. Offenbar kommt die Steuersenkung in ländlichen Regionen mit loserem Tankstellennetz langsamer an als in städtischen Gebieten.

Preisgestaltung an Tankstellen

Für die Mineralölkonzerne besteht keine Pflicht, die Steuersenkung an die Kunden weiterzugeben. „Der Tankrabatt wirkt“, freute sich Lindner am Mittwoch auf Twitter, gab aber auch zu bedenken: „Jetzt ist es Aufgabe des Kartellamts, dafür zu sorgen, dass das auch die nächsten Wochen so bleibt.“ Dessen Präsident, Andreas Mundt, hatte bereits am Dienstag mitgeteilt, seine Behörde beobachte die Preisentwicklung mit sehr hoher Aufmerksamkeit: „Unser Monitoring haben wir vor dem 1. Juni mit Blick auf die anstehenden Steuersenkungen noch einmal intensiviert. Zudem haben wir eine Untersuchung der Raffinerien und der Großhandelsebene eingeleitet, um maximale Transparenz für den gesamten Kraftstoffmarkt herzustellen.“

Was das Kartellamt tun kann

Auch Kartellamtspräsident Mundt weist darauf hin, dass es „keine rechtliche Verpflichtung gibt, die Steuersenkung eins zu eins weiterzugeben. Als Wettbewerbsbehörde können wir hohe, auch sehr hohe Preise nicht einfach verbieten“. Man könne kartellrechtswidriges Verhalten – also Missbräuche oder Preisabsprachen – abstellen und mit hohen Bußgeldern ahnden. Dafür gebe es aber bisher keine Hinweise. „Hohe Preise können viele Gründe haben und auch im Wettbewerb entstehen. Im Kraftstoffmarkt funktioniert der Wettbewerb allerdings nur eingeschränkt. Deshalb beobachten wir die Branche auch so genau.“

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Kritik an der Branche

Sorge verursacht allerdings nicht nur die Frage, ob die Mineralölbranche die Steuerentlastung zügig weitergibt, sondern auch, wie sehr sie sich selbst daran bedient und damit Krisengewinnler auf Kosten der Steuerzahler wird, nachdem schon länger Vorwürfe kursieren, sie profitiere schamlos von gestiegenen Marktpreisen. Der ADAC etwa bezeichnet das Preisniveau als „bereits über Wochen hinweg massiv überhöht“. Und Berechnungen des Verbraucherportals Vergleich.org zeigen, dass nicht nur der Ölpreis massiv gestiegen ist, sondern noch viel deutlicher der Deckungsbeitrag der Branche, in dem auch deren Gewinne verborgen sind. So berichtete etwa der Ölmulti Shell im ersten Quartal einen um 26 Prozent gesteigerten Gewinn auf Rekordniveau. Und das, obwohl der britische Ölriese wegen des Rückzugs aus Russland fast vier Milliarden Dollar (3,6 Milliarden Euro) abschreiben musste. Die Internationale Energieagentur schätzt die Mehreinnahmen der Energieanbieter infolge der hohen Energiepreise auf 200 Milliarden Euro.

Ruf nach neuer Steuer Um diese Krisengewinne der Branche zu beschränken, diskutieren mehrere Länder – beispielsweise Großbritannien – eine sogenannte Übergewinnsteuer, die in Deutschland unter anderem von den Grünen propagiert wird. Die Idee ist dabei, exzessive Gewinne in einer Krise im Vergleich zu normalen Zeiten extra zu besteuern. Dies ist im Ersten und Zweiten Weltkrieg unter dem Begriff Excess Profits Tax in Großbritannien, Frankreich und den USA geschehen und wurde in Deutschland auch während der Coronapandemie schon diskutiert.