Der Degerlocher Gerhard Haag, Ex-Bürgermeister von Leinfelden-Echterdingen, hat mit Tansianern und Fachleuten von den Fildern den Dachstuhl eines Wohnheimes in Afrika erneuert.

L.-E./Degerloch - Auf der Nase eine Hornbrille, im Mund eine Pfeife, über dem Hemd ein leichter Strickpulli: Gerhard Haag, ehemals Bürgermeister von Leinfelden-Echterdingen, lebt in Degerloch und setzt sich seit fast zehn Jahren dafür ein, dass Jugendliche im Südwesten Tansanias eine Berufsausbildung erhalten. Dort gibt es viele junge Leute, deren Eltern an Aids gestorben sind. Die Waisen erhalten als Elektriker, Schreiner, Schneider Kaufmann oder Touristikfachkraft die Chance, sich selbst zu versorgen.

 

„Die Not ist groß“, sagt Haag. Und: „Wer keinen Job hat, kann nicht Sozialhilfe beantragen, er hat schlichtweg nichts zum Essen.“ Haag spricht mittlerweile fast fließend Englisch. Und er kann sich auch auf Kisuaheli, einer der Verkehrssprachen Ostafrikas, so verständigen, dass er auf dem Markt Maschinen einkaufen kann.

Der fast 66-Jährige reist regelmäßig in den Osten Afrikas. Wenn es geht, zweimal im Jahr: einmal im Frühjahr und einmal im Dezember. Und das soll so bleiben, zumindest bis er 70 Jahre alt ist. Dann will er sehen, ob er den Klimawechsel von mehr als 35 Grad in Tansania auf Wintermantel-Temperaturen in Deutschland noch wegsteckt.

Haag war 15-mal in zehn Jahren dort

15-mal ist Haag im vergangenen Jahrzehnt ins Flugzeug gestiegen, ist stundenlang über die Wüste geflogen, um in Tansania nach dem Rechten zu sehen. Er überzeugt sich lieber vor Ort, ob die Spenden, die er gesammelt hat, zweckgerichtet eingesetzt werden. Der Ex-Bürgermeister unterstützt gleich mehrere Berufsschulen, die von der evangelischen Moravian-Church im Südwesten des Landes betrieben werden – unter anderem ein großes Berufsschulzentrum in Mbeya. Das Geld stammt von Bürgern aus Leinfelden-Echterdingen und Degerloch, von Firmen, Banken, Stiftungen, der evangelischen Kirchengemeinde Leinfelden und des Immanuel-Kant-Gymnasiums.

In zehn Jahren Entwicklungsarbeit sind auf diesem Weg 200 000 Euro an Unterstützung in das Land geflossen. Haag berät die Lehrer und Leiter der Berufsschulen. Das ist seine Rolle. Deshalb sitzt er auch zu Hause in Degerloch mindestens eine Stunde pro Tag vor dem Computer, um das Projekt in dem – ihm nicht mehr fremden – Land zu begleiten. Dabei ist dem deutschen Helfer wichtig, dass es auch ohne ihn weiterlaufen könnte. Dann eben unter tansanischer Leitung. „Und vielleicht etwas holpriger“, sagt er.

Erst vor Kurzem ist Haag wieder aus dem afrikanischen Land zurückgekehrt. Diesmal wollte er nicht nur die Finanzen überwachen. „Diesmal wollten wir es anders machen“, sagt er. Eine Gruppe mit Baufachleuten von den Fildern haben gemeinsam mit Menschen vor Ort den Dachstuhl des Mädchenwohnheims erneuert. Das Haus wurde aufgestockt. „Das Wohnheim ist wichtig “, sagt Haag. „So können die Mädels abends auf dem Campus bleiben. Dort passiert weniger.“ Die Ehrenamtlichen haben auch eine Lehrküche für angehende Köche renoviert und in der Kfz-Werkstatt gearbeitet.

Flaschenzug aus einer Fahrradfelge

Drei Wochen wurde gemeinsam gearbeitet. Haag spricht von einer schwarz-weißen Kooperation. „Das war schon deshalb interessant, weil Menschen aus zwei ganz unterschiedlichen Kulturen zusammen gearbeitet haben“, sagt er. Wenn die Sprachbarrieren zu groß wurden, haben die Planer Papier und Tisch ausgepackt. „Die Techniker kommunizieren mit Zeichnungen“, erklärt Haag. Und: „Mal hat Holz gefehlt, mal Wasser.“ So sei dies in Afrika eben. „Damit muss man klarkommen.“ Mit einem aus einer alten Fahrradfelge gebastelten Flaschenzug wurde das nötige Material in den zweiten Stock des Wohnheims transportiert. Den angemischten Beton trugen Frauen die Treppen hinauf. Die Gefäße balancierten sie auf ihren Köpfen.

Am Ende des Aufenthalts wurde Richtfest für das erweiterten Mädchenwohnheim gefeiert. Als nächster Schritt steht der Innenausbau an. Allerdings fehlt dafür noch das nötige Geld. Haag schätzt den gesamten finanziellen Aufwand auf 70 000 Euro. Noch hat er keine Idee, wie er diese Summe zusammentragen kann. Deshalb werden wohl erst einmal nur Fenster eingebaut. Kostenpunkt: 5000 bis 6000 Euro.