Was ist der Mensch? Der Frage geht am Samstag eine Performance in Waiblingen ohne viele Worte nach. Und zwar an einem besonderen Ort: in der Michaelskirche, deren Altarraum zur Bühne wird.

Waiblingen - Elektronische Musik. Ein heftiger Kampf direkt vor dem Altar. Eine Liebesszene zu Füßen des großen Kreuzes. Es geht um Emotionen und um Grenzüberschreitungen. Es geht zur Sache in der Tanztheater-Collage „!mensch“, die an diesem Samstag in der Waiblinger Michaelskirche zu sehen ist. „Der Altarraum ist unsere Bühne“, sagt dazu Ismene Schell, die Regie führt. Theateraffinen Menschen im Landkreis dürfte die Stuttgarter Regisseurin zum Beispiel von dem Jugendtheaterprojekt Café Babel Produktion bekannt sein, das im Kulturhaus Schwanen in Waiblingen zuhause ist. Vier junge Schauspieler aus diesem Ensemble sind am Samstagabend mit von der Partie, wenn in der ehrwürdigen Michaelskirche alles etwas anders abläuft als sonst.

 

„Man kann viel sagen ohne Worte“, sagt Ismene Schell – das beweise die Choreografie, welche Sabine Noll gemeinsam mit der Theatertruppe in einer viermonatigen Entstehungsphase erarbeitet hat und die das Herzstück der Performance bildet. So erwartet die Besucher in der Michaelskirche statt einer wortreichen Predigt eine Collage aus zehn Szenen zum Thema Mensch, in denen ganz bewusst fast kein Wort fällt: Die Schauspieler lassen ihre Körper sprechen.

Projektionen und elektronische Musik

Statt Kirchenlieder ertönt elektronische Musik vom Ein-Mann-Musikprojekt Emblem, die allerdings teilweise mit vertrauten, wuchtigen Orgelklängen durchsetzt ist. Die live gespielten Szenen im Altarraum ergänzen an die Wände geworfene Video-Projektionen von der Gruppe Sense Trans Techno, einem Kollektiv junger Produktdesigner.

„Die Kirche bekommt so eine ganz andere Atmosphäre“, erzählt Ismene Schell, die das Stück mit ihrem Ensemble bislang ausschließlich in Gotteshäusern aufgeführt hat. Demnächst gastiert das Ensemble zum ersten Mal in einer Synagoge. „Jetzt fehlt uns noch eine Moschee“, sagt Ismene Schell, die betont, dass Pietät an solchen besonderen Auftrittsorten eine wichtige Rolle spiele, auch wenn es im Stück auch um das Überschreiten von Grenzen gehe.

Trotzdem mangelt es der Schauspieltruppe nicht an Gelegenheiten aufzutreten, versichert Ismene Schell: „Viele Pfarrerinnen und Pfarrer suchen nach etwas anderem. Denn durch die Wortlastigkeit des traditionellen Gottesdienstes geht etwas verloren.“ Obendrein sei die Performance auch prima geeignet für Menschen, deren Deutschkenntnisse nicht so gut sind.

Anfang des Jahres hat die Gruppe sich erstmals getroffen und sich von da an mit dem von Ismene Schell vorgeschlagenen Thema Mensch auseinandergesetzt: Jeder hat etwas mitgebracht – einen Text, einen Song oder eine Frage. „Wir haben darüber gesprochen und geschrieben. Und wir haben uns gefragt: wie stellen wir das dar?“, erzählt Ismene Schell, die besonders gerne mit Schauspielern arbeitet, welche noch keine routinierten Profis sind. Denn: „Sie liefern nichts ab, sondern stellen sich selbst zur Verfügung, und das kommt rüber.“

Intensives Schauen und Hören

Die Szenen haben sich im Laufe von rund vier Monaten herauskristallisiert. „Wir haben viel ausprobiert und sind auch in die Irre gegangen“, erzählt Ismene Schell. Sie möchte die Zuschauer zum intensiven Schauen und Hören animieren. Wobei die besonders intensiven Szenen nicht von Musik untermalt werden – hier herrscht Stille. Solche Szenen, in denen die Schauspieler ihre Grenzen zu überschreiten, das Innere nach außen kehren, gibt es mehrere. Nicht jedem ist das leicht gefallen. „Aber mittlerweile lieben sie es!“

Hier gibt es Karten

Die Aufführung
„!mensch“ gastiert am 10. November in der Waiblinger Michaelskirche am Alten Postplatz 21. Die Aufführung beginnt um 19.30 Uhr. Karten gibt es für 15 Euro, ermäßigt acht Euro und für Geflüchtete zum Preis von einem Euro nur an der Abendkasse in der Kirche. Reservierungen sind möglich unter mail@freiebuehnestuttgart.de oder 01 79/648 54 47.