Mit den Gewerkschaften GDL und EVG gelingt der Bahn etwas, was vor wenigen Jahren noch unmöglich schien: Tarifabschlüsse, die alle Beteiligten zufriedenstellen und niemanden benachteiligen. Endlich wenden sich die Kombattanten den wichtigen Dingen zu, meint Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Frankfurt - Die Deutsche Bahn hat angesichts ihrer massiven Imageprobleme gute Botschaften so bitter nötig wie die Nacht den Tag. Nun kann sie endlich etwas liefern: Nach dem Tarifabschluss mit der Eisenbahngewerkschaft EVG von Mitte Dezember präsentiert sie auch ein Abkommen mit deren erbitterter Konkurrenz GDL – immerhin den ersten Abschluss bei der Deutschen Bahn seit 2002, der ohne Schlichtung oder Streiks erreicht wurde.

 

Massiver politischer Druck vonnöten

Wer hätte das gedacht nach dem heftigen EVG-Warnstreiktag am 10. Dezember, dass GDL-Chef Claus Weselsky nicht meint, er müsse jetzt auch noch seine tarifpolitische Potenz unter Beweis stellen? Und wer hätte diese friedliche Entwicklung überhaupt erwartet angesichts der Konflikthistorie, als die Lokführer in ihrem Unabhängigkeitsstreben die Kunden immer wieder mit Streiks drangsalierten? Die schwarz-rote Bundesregierung war so sehr alarmiert, dass sie gegen allen Widerstand das Gesetz zur Tarifeinheit im Betrieb durchsetzte – speziell um den Streikführer Weselsky zur Mäßigung zu zwingen.

Und heute? Der politische Druck hat einen Bewusstseinswandel bei den Gewerkschaften und auf der Arbeitgeberseite bewirkt, wonach es bei einer Dauerkonfrontation nur Verlierer geben kann. Auf dem Tisch liegen zwei gleichwertige Tarifabschlüsse, die sowohl GDL als auch EVG als eigenständigen Erfolg verbuchen. Vor nicht allzu langer Zeit hätte man noch ungläubig von einer Quadratur des Kreises gesprochen – nun ist sie der Bahn gelungen.

Mehr Arbeitsqualität vor Lohnzuwächsen

Mindestens genauso wichtig: Die Kombattanten wenden sich endlich den konkreten Problemfeldern zu – der Attraktivitätssteigerung der Bahnberufe zur Linderung der akuten Personalnot, der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben oder den Erfordernissen künftiger Qualifikationen durch den digitalen Wandel.

Generell verfolgt die Tarifpolitik einen neuen Trend: Es geht nicht nur um immer höhere Löhne, sondern in hohem Maße auch um qualitative Themen wie die Ausgewogenheit von Arbeit und Freizeit. Die Deutsche Bahn war in der Hinsicht schon vor zwei Jahren Vorreiter. Diese Führungsrolle haben die Beteiligten mit den neuen Tarifkompromissen bestätigt. Geht doch!