Die IG Metall handelt mit den Zeitarbeitsverbänden ein System von Branchenzuschlägen aus. Es soll Vorbild für weitere Branchen sein.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ) und die IG Metall wollen die Tariflücke zwischen Leiharbeitnehmern und Stammbelegschaften ein Stück weit schließen. Dazu haben sie in der Nacht zu Dienstag in Frankfurt ein fünfstufiges System für Branchenzuschläge von 15 bis 50 Prozent vereinbart.

 

Der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit dem Bundesverband der Personaldienstleister (BAP) und dem Interessenverband der Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) tritt am 1. November 2012 in Kraft und ist erstmals zum 31. Dezember 2017 kündbar. Er gilt für die Metall- und Elektroindustrie und soll Vorbild für andere Branchen wie die Chemieindustrie sein, wo es ebenso schon Verhandlungen geführt wurden.

Bis zu 50 Prozent mehr Lohn für Leiharbeitnehmer

Das in der vierten Verhandlungsrunde beschlossene Abkommen sichert zwischen 240 000 und 280 000 Leiharbeitnehmern in der Metallindustrie eine schrittweise Lohnerhöhung. Demzufolge beträgt der Branchenzuschlag nach sechs Wochen Einsatzzeit 15 Prozent auf das Tarifentgelt. Basis ist der Entgelttarifvertrag, den BAP und IGZ mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund ausgehandelt haben. Nach dem dritten Monat wächst der Zuschlag auf 20 Prozent, nach fünf Monaten auf 30 Prozent, nach sieben Monaten auf 45 Prozent und nach dem neunten Monat auf 50 Prozent.

Das bedeutet für Zeitarbeitnehmer in der unteren Entgeltgruppe I je nach Einsatzdauer ein monatliches Lohnplus von 186 Euro (bei 15 Prozent nach sechs Wochen) bis 621 Euro (bei 50 Prozent nach neun Monaten). In der sogenannten Eckentgeltgruppe III gibt es für die Facharbeiter 232 bis 775 Euro mehr, in der Entgeltgruppe IV für Facharbeiter kommen zwischen 246 und 819 Euro obendrauf – und in der höchsten Entgeltgruppe neun für Hochschulabsolventen liegt der Zuschlag zwischen 414 und 1380 Euro.

Das Grundentgelt des Stammbeschäftigten fast erreicht

Der Aufschlag wird vom Verleiher gezahlt, sofern es sich um eine Tätigkeit in demselben Kundenbetrieb handelt. Kürzere Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Wird der Zeitarbeitnehmer aber länger als drei Monate abgemeldet, beginnt der stufenweise Aufstieg von Neuem.

In den Entgeltgruppen I und II werde das Grundentgelt eines Stammbeschäftigten künftig nahezu erreicht, versichert die IG Metall – wobei das Gesamtentgelt mit Schichtzuschlägen und Sonderzahlungen deutlich höher liegt. In den unteren Gruppen werden einfache Tätigkeiten entlohnt. Weil dort 45 Prozent aller Leiharbeiter der Metallindustrie beschäftigt sind, hatten die Arbeitgeber für sie geringere Zulagen verlangt. Dies konnte die Gewerkschaft ebenso abblocken wie die Forderung, dass die Branchenzuschläge erst nach drei Monaten zu zahlen sind. Die IG Metall wollte die Zulagen schon vom ersten Tag an erreichen. Nun habe man einen „akzeptablen Kompromiss“ gefunden, sagt ihre Verhandlungsführerin Helga Schwitzer.

Öffnung für betriebliche Sondervereinbarungen

Darüber hinaus konnte die Gewerkschaft in den seit Mitte Februar andauernden Verhandlungen eine Öffnungsklausel für betriebliche „Besser-Vereinbarungen“ durchsetzen. Sie bedeuten, dass im Betrieb zusätzlich über Einsatzzulagen bis hin zum Equal Pay (gleicher Lohn für gleiche Arbeit) verhandelt wird – was dort, wo die Gewerkschaft gut organisiert ist, längst üblich ist. Künftig erhält der Zeitarbeitnehmer einen eigenen Rechtsanspruch auf die Besser-Vereinbarung. Den Branchenzuschlag bekommt er zudem auch dann, wenn er in einem nicht tarifgebundenen Unternehmen der Metallindustrie eingesetzt ist.

Nach IG-Metall-Angaben werden Leiharbeiter bis jetzt um bis zu 40 bis 50 Prozent schlechter bezahlt als Stammbeschäftigte. Mit der Neuregelung erfüllen die Tarifparteien eine zentrale Forderung der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), eine Angleichung der Löhne auf tariflichem Wege zu ermöglichen.

Erhebliche Mehrkosten für entleihende Unternehmen

Dieses „teuer erkaufte Ergebnis“ sei ein Erfolg für die Tarifautonomie. sagte VGZ-Verhandlungsführer Thomas Bäumer. Doch werde der „Jobmotor Zeitarbeit“ in der wichtigsten Branche, der Metall- und Elektroindustrie, nun viel langsamer laufen. „Die Mehrkosten für die Kundenunternehmen werden erheblich sein.“ Dies werde Nachteile vor allem für Geringqualifizierte und Arbeitslose haben, denen die Zeitarbeit eine Chance zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt biete. Weil der Tarifabschluss eine Vorlage für weitere Branchen sein solle, seien gesetzgeberische Maßnahmen der Bundesregierung nicht mehr nötig. Schwitzer freilich sieht „weiterhin Handlungsbedarf“ für den Gesetzgeber, um Equal Pay im Grundsatz zu erreichen.

Das IG-Metall-Vorstandsmitglied bezeichnete den Vertrag mit den Zeitarbeitsverbänden und den Pilotabschluss für die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg als „zwei Seiten einer Medaille“. In Sindelfingen hatten IG Metall und Südwestmetall die Mitbestimmung der Betriebsräte beim Einsatz von Zeitarbeitern verbessert. Im Prinzip muss diesen spätestens nach 24 Monaten Einsatzzeit ein fester Arbeitsplatz angeboten werden. Zudem dürfen die Betriebe nur noch Verleihfirmen beauftragen, die den Branchenzuschlag zahlen. Inwieweit die Verleihfirmen die Kostensteigerungen auf die entleihenden Betriebe abwälzen können, vermag Schwitzer nicht zu sagen.