Weiteres Chaos an den Flughäfen aufgrund streikender Kontrolleure wird es in den nächsten Jahren nicht geben. Mit dem Tarifabschluss kehrt Ruhe ein. 20 Euro für alle war das Verdi-Ziel – doch dafür hat es diesmal noch nicht gereicht.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Selten hat der Tarifabschluss einer kleinen Beschäftigtengruppe so viel Aufmerksamkeit erzeugt. Grund: Verdi und Beamtenbund haben mit den 23 000 Luftsicherheitsassistenten eine starke Waffe zur Hand. Mit relativ wenig Aufwand ließen sie vom 7. Januar an eine Warnstreikwelle über alle größeren deutschen Flughäfen rollen – die Folge war Chaos. Die Gefahr neuer Beeinträchtigungen ist vorerst gebannt, nachdem sich die Arbeitgeber und Verdi in der Nacht zu Donnerstag auf den ersten bundesweiten Tarifvertrag für diesen Bereich geeinigt haben.

 

Der Gewerkschaft zufolge bringt er über die Gesamtlaufzeit von drei Jahren je nach Region Lohnschübe zwischen 10,5 Prozent und 26,7 Prozent. Die jährlichen Zuwächse betragen zwischen 3,5 und 9,77 Prozent. Dabei werden auch Unterschiede zwischen den Kontrolleuren von Passagieren und Gepäck, von Fracht und Catering sowie der Zugänge und Zufahrten an den Flughäfen gemacht. Die Anhebungen erfolgen in drei Schritten zum Februar/März dieses Jahres, zum Januar 2020 sowie zum Januar 2021.

Im Südwesten zwischen 10,5 und zwölf Prozent mehr

Verdi hatte einen bundesweit einheitlichen Bruttostundenlohn von 20 Euro gefordert. Das konnte sie nicht durchsetzen. Nunmehr wird in der Passagier- und Gepäckkontrolle als bestbezahlter Gruppe binnen zwei Jahren ein Stundenlohn von 19,01 Euro erreicht. Im Osten steigen die Löhne stärker als im Westen. Die Luftsicherheitsassistenten erhalten damit am Flughafen Leipzig/Halle jährlich 1,44 Euro pro Stunde mehr, bis 2021 das Westlohnniveau erreicht ist. In den anderen Tätigkeiten gilt ein längerer Anpassungszeitraum. Der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) versicherte, dass er die Gewerkschaften von seiner Gehaltsstruktur habe überzeugen können, um die Entgeltgruppen in den nächsten Jahren anzugleichen. Bei der Differenzierung nach unterschiedlichen Aufgaben soll es vorerst aber bleiben, betont BDLS-Verhandlungsführer Rainer Friebertshäuser.

Nach Worten von Verdi-Landesfachbereichsleiterin Eva Schmidt erhalten die Beschäftigten an den baden-württembergischen Flughäfen über die Laufzeit hinweg zwischen 10,5 und zwölf Prozent mehr Lohn. Bisher sind es in der Personenkontrolle 17,16 Euro pro Stunde. „Mit 19,01 Euro haben wir künftig auch am Boden endlich eine Beschäftigtengruppe mit ordentlichem Einkommen“, sagte sie. Roberto Di Benedetto, Betriebsratsvorsitzender bei der auch in Stuttgart tätigen Frasec Fraport Security GmbH und Mitglied der Verdi-Tarifkommission, ergänzt: „Von den 20 Euro trennt uns bald nur noch ein Euro.“ Gerne hätte man die 18 Euro schon 2019 geknackt. Die Arbeitgeber hätten aber zugesagt, mit Verdi die Angleichung der Löhne für die Waren- und Personalkontrolleure anzugehen. „Hier nehmen wir sie beim Wort.“

Branchenverband befürchtet Verteuerung des Flugverkehrs

Die Tarifparteien verständigten sich ferner darauf, direkt nach Abschluss des Vertrages mit Verhandlungen über Zeitzuschläge, Funktionszulagen und die Umwandlung von Entgelt in zusätzliche Freizeit zu beginnen. Zudem wird gemeinsam eine Initiative für einen Ausbildungsberuf „Fachkraft für Luftsicherheit“ gestartet.

Der Sprecher der Geschäftsführung des Stuttgarter Flughafens, Walter Schoefer, sagte unserer Zeitung, es sei gut, dass es nun keine weiteren Streiks gibt und in diesem Punkt für die nächsten drei Jahre Sicherheit herrscht. „In der Summe ist das ein sehr hoher Abschluss, der den Druck auf die Vergütungsstrukturen an den Flughäfen weiter erhöht“, betonte er. „Eine angelernte Tätigkeit wird nun vergütet wie ein Berufseinsteiger mit Studium – am Ende bezahlen das die Passagiere.“

Nach Ansicht des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) verteuert der Tarifabschluss den Flugverkehr. Nun würden deutliche Fortschritte bei der Automatisierung und effektivere Kontrollen notwendig. Eine Verdoppelung der Kosten an den Sicherheitskontrollen seit 2010 stünde einer Effizienz gegenüber, die nur halb so groß sei wie in europäischen Nachbarländern. In London-Heathrow, Brüssel, Madrid und Amsterdam würden pro Kontrollspur und Stunde rund doppelt so viele Passagiere abgefertigt wie an den deutschen Flughäfen. Folglich wollen die Flughafenbetreiber den Einsatz der Sicherheitsleute künftig in die eigenen Hände nehmen – bisher trägt die Bundespolizei die Verantwortung für die Kontrollen.