Verdi-Chef Bsirske konnte nicht verhindern, dass durch die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ein Riss geht. Die GEW hofft weiter auf eine neue Entgeltordnung für angestellte Lehrer – der Beamtenbund ist vorgeprescht. Und Bsirske sitzt mittendrin.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Begeisterung sieht anders aus: Verdi-Chef Frank Bsirske, sein Mitstreiter Willi Russ vom Beamtenbund und ihr Gegenüber Jens Bullerjahn als Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) gaben sich am späten Samstagabend alle Mühe, den Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst positiv zu verkaufen. Im Grunde präsentierten sie nichts anderes als eine bislang einmalige Spaltung des Arbeitnehmerlagers.

 

Wie schon in den Tarifrunden zuvor waren sie mit dem Ansinnen gescheitert, den Streit über die bundesweit 200 000 angestellten Lehrkräfte (knapp 12 000 in Baden-Württemberg) zu befrieden. Vor allem Verdi und die Bildungsgewerkschaft GEW hatten es sich erneut zum Ziel gesetzt, für diese Klientel eine eigene Entgeltordnung auf den Weg zu bringen. Angestellte Lehrer sollen nicht mehr um etliche hundert Euro schlechter gestellt werden als beamtete Kollegen. Das Vorhaben misslang, denn die GEW wollte das Resultat nicht akzeptieren. Daraufhin erklärte sich Verdi-Chef Bsirske mit der Schwestergewerkschaft solidarisch. Somit gibt es nun zwei Tarifvereinbarungen: eine mit dem Beamtenbund, in der auch ein Weg in die Entgeltordnung für die Lehrer beschrieben wird – und einen Vertrag mit Verdi, GEW und Polizeigewerkschaft GdP ohne Lehrerklauseln.

DBB-Vize wird von GEW-Funktionären beschimpft

Konkret vereinbarten die TdL und der Beamtenbund einen Einstieg in die sogenannte Paralleltabelle für angestellte Lehrkräfte. Gemeint ist die Anbindung ihrer Gehälter an die Beamtenbesoldung mit einer bestimmten Zuordnung der Entgeltgruppen zu den Besoldungsgruppen. Auf diese Weise sollen die Einkünfte der angestellten Lehrkräfte schrittweise angehoben werden. „Damit fallen auch die 200 000 Lehrer endlich unter den Flächentarifvertrag“, sagte Russ in der Pressekonferenz – woraufhin der Beamtenbund-Vize von GEW-Funktionären laut beschimpft wurde, weil seine Organisation den Solidaritätsgedanken aufgegeben hätte. Das gab es noch nie.

Die GEW lehnt die Arbeitgeberofferte strikt ab. Was die Länder vorgelegt hätten, sei „völlig indiskutabel“, zürnt die baden-württembergische Landesvorsitzende Doro Moritz: 30 Euro brutto im Monat ab 1. August 2016, und dies auch nur für einzelne Lehrergruppen – das sei „die Tinte unter dem Vertrag nicht wert“. Die Arbeitgeber seien nicht bereit gewesen, weitere Erhöhungsschritte und ein Zieldatum, an dem die Tarifbeschäftigten die höhere Entgeltgruppe erreichen sollen, zu vereinbaren. Zudem solle der GEW mit den 30 Euro im Monat das Streikrecht abgekauft werden. Ohne verlässliche Zusagen zu einer Paralleltabelle und ohne Möglichkeit zu streiken hätte die Annahme bedeutet, die Paralleltabelle „auf den St.-Nimmerleins-Tag zu verschieben“. Moritz: „Jetzt sind auch in Baden-Württemberg weitere Streiks möglich.“ Über weitere Aktionen werde in den nächsten Tagen diskutiert. Der TdL-Vorsitzende Bullerjahn konterte, die GEW habe den Willen zum Kompromiss vermissen lassen. „Umso mehr gilt mein Dank dem Beamtenbund und Verdi.“