Die IG Bau und die Arbeitgeberverbände von Baugewerbe und Bauindustrie haben ihren Tarifstreit beendet. Das Ergebnis mit Lohnerhöhungen von 2,4 und 2,2 Prozent ist ein weiterer Indikator für die Wiederbelebung einer schwer gebeutelten Branche.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Nach schwierigen Verhandlungen, aber ohne Streiks hat die Gewerkschaft Bau einen Tarifabschluss erzielt. In Wiesbaden einigte sie sich mit dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) und dem Hauptverband der Bauindustrie (HDB) auf einen Kompromiss für die 785 000 Beschäftigten, der im Westen 4,6 Prozent höhere Löhne vorsieht. Rückwirkend zum 1. Mai gibt es 2,4 Prozent mehr, von Mai 2017 bis Februar 2018 noch einmal 2,2 Prozent. Im Osten beträgt das Plus insgesamt 5,3 Prozent (2,9 und 2,4).

 

Nachdem die Arbeitgeber auf einen Zwei-Jahres-Tarifvertrag gedrungen hatten, wurde eine Laufzeit von 22 Monaten vereinbart. Umstritten war auch der finanzielle Ausgleich bei Übernachtungen, falls eine Baustelle mehr als 50 Kilometer vom Firmensitz entfernt ist. Von Januar 2017 an stellt der Arbeitgeber die Unterkünfte. Anstatt der sogenannten Auslösung von 34,50 Euro erhalten die Arbeitnehmer zudem bei auswärtiger Übernachtung künftig einen Verpflegungszuschuss von 24 Euro pro Arbeitstag, wobei in Betriebsvereinbarungen auch ein Betrag bis zu 28 Euro festgelegt werden kann. Ähnlich wie IG-Bau-Verhandlungsführer Dietmar Schäfers verwiesen ZDB-Vizepräsident Frank Dupré und HDB-Vize Andreas Schmieg auf die „deutliche Reallohnsteigerung“ und die voranschreitende Angleichung von Ost- und Westtarifen. Dank einer Erhöhung der Ausbildungsvergütungen werde die Attraktivität der Branche weiter gesteigert.

9000 Euro weniger im Jahr als im produzierenden Gewerbe

Im Vergleich mit dem produzierenden Gewerbe etwa besteht allerdings noch deutlicher Nachholbedarf. 2015 lag der durchschnittliche Bruttojahresverdienst eines männlichen westdeutschen Arbeitnehmers im Hoch- und Tiefbau mit 45 520 Euro um 8910 Euro unter dem Durchschnittsentgelt im produzierenden Gewerbe, wie das Statistische Bundesamt ermittelte. In den neuen Ländern ist das Niveau noch einmal deutlich niedriger: Da betrug der Durchschnittslohn 33 931 Euro – somit 2944 Euro weniger als im produzierenden Gewerbe. Der effektive Bruttostundenverdienst (ohne Sonderzahlung) am Bau beträgt im Westen 20,67 Euro bei 39,1 bezahlten Stunden pro Woche (Ost: 15,97 Euro).

Doch weisen zahlreiche Indikatoren auf den Aufschwung hin: Die Beschäftigung im Bauhauptgewerbe wuchs 2015 um 5600 Mitarbeiter (0,7 Prozent). Derweil geht die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter weiter zurück. Sie betrug voriges Jahr im Schnitt 67 500 bundesweit – was einem Minus von 4,8 Prozent im Westen und 14,2 Prozent im Osten gegenüber 2014 entspricht. In vielen westdeutschen Regionen ist die Arbeitslosenquote bei Bauarbeitern im Sommer schon niedriger als der Durchschnittswert aller Berufe. Die Zahl der offenen Stellen nimmt folglich zu.

Zahl der Insolvenzen stark reduziert

Nach der Prognose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute werden die Bauinvestitionen (Neu-, Um- sowie Erweiterungsbauten) in diesem Jahr um 2,8 Prozent und 2017 um 1,4 Prozent wachsen. Daher hatte IG-Bau-Vize Schäfers vor dem Tarifabschluss massiv die „Konjunktur-Lokomotive“ hingewiesen: „Der Bau boomt wie seit Jahren nicht mehr.“

Nach Angaben des Deutschen Baugewerbes ist auch die Zahl der Firmenpleiten stark gebremst worden. Von 2001 bis 2015 ging der Wert von fast 5000 um etwa 70 Prozent auf etwa 1600 zurück. Die Insolvenzquote (Anteil der insolventen an allen Unternehmen) lag 2015 bei 2,0 Prozent – 2001 waren es gut sechs Prozent. Gleichwohl bleibe die Insolvenzanfälligkeit wegen des starken Preiswettbewerbs hoch. Tariftreue Betriebe befänden sich wegen des hohen Anteils der Arbeitskosten im scharfen Wettbewerb mit Schwarzarbeit und tarifflüchtigen Firmen, so der ZDB. Nach seiner Mai-Umfrage wird die Geschäftslage überwiegend mit gut bis befriedigend eingestuft. Nur der öffentliche Hochbau wird etwas skeptischer gesehen.