Die Eisenbahnergewerkschaft EVG will von den Milliardengewinnen der Deutschen Bahn profitieren und verlangt 6,5 Prozent mehr Lohn. Sie weiß, dass Bahnchef Grube im Streit um das Bahnnetz Verbündete braucht.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Eisenbahn-Verkehrsgewerkschaft (EVG) fordert kräftige Zuschläge für 130 000 Beschäftigte der Deutschen Bahn (DB). Die Tarifverhandlungen mit dem Staatskonzern beginnen in der nächsten Woche und haben besondere Brisanz. Im Hintergrund laufen schwierige Debatten über die künftige Struktur des Unternehmens und sein größtes Investitionsprojekt Stuttgart 21.

 

EVG-Chef Alexander Kirchner, der auch stellvertretender Vorsitzender des DB-Aufsichtsrats ist, will kommenden Dienstag in Berlin die erste Verhandlungsrunde mit DB-Personalchef Ulrich Weber starten. Der Tarifvertrag ist bereits Ende 2012 ausgelaufen. Die Konkurrenzgewerkschaft der Lokführer (GDL) hatte vorigen Sommer schon in der zweiten Verhandlungsrunde 3,8 Prozent mehr Lohn für 20 000 Lokführer und weitere 2,4 Prozent Zuschlag ab November 2013 durchgesetzt. Der Vertrag mit der GDL läuft bis zum Sommer 2014. Auch in den Verhandlungen mit der EVG sei dem Konzern an einem zügigen Abschluss gelegen, um rasch Planungssicherheit zu erhalten, ist in Verhandlungskreisen zu hören. Man rechne mit „keinen allzu konfliktreichen Gesprächen". Angestrebt werde ein Tarifvertrag für das Kalenderjahr 2013 und kein Abschluss darüber hinaus.

Die Tarifkommission der EVG hatte die Forderung von 6,5 Prozent vor zwei Wochen beschlossen. Die DB erziele Milliardengewinne und stehe gut da, heißt es. Davon sollten die Beschäftigten angemessen profitieren. Die Chancen für einen guten Abschluss für die EVG stehen nach Ansicht von Beobachtern gut. Denn Bahnchef Rüdiger Grube ist derzeit besonders auf ein gutes Verhältnis zur EVG und der Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat angewiesen.

Zum einen will EU-Kommissar Siim Kallas bei Europas Bahnen eine stärkere Trennung von Netz und Betrieb durchsetzen. Besonders die hohen Gewinne, die der deutsche Staatskonzern aus dem vom Steuerzahler mit Milliarden subventionierten Schienennetz zieht, sind Brüssel und den DB-Konkurrenten ein Dorn im Auge. Falls die Gewinnabführung durch die EU-Kommission unterbunden würde, würde dem Konzern die wichtigste Einnahmequelle fehlen.

EVG-Chef unterstützt Grube in Strukturfragen

EVG-Chef Alexander Kirchner setzt sich bisher Seite an Seite mit DB-Chef Grube und Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) für den Erhalt der Strukturen und der Gewinnabführung im größten deutschen Staatskonzern ein. Auch bei Stuttgart 21, dem größten Investitionsprojekt der DB, hält sich die Gewerkschaft bisher mit Kritik zurück, obwohl das Vorhaben sich nach Angaben des Konzern von 4,5 auf bis zu 6,8 Milliarden Euro verteuern würde.

Der DB-Aufsichtsrat hat dem Vorschlag von Bahnchef Grube, den Eigenanteil des Konzerns um 1,1 Milliarden Euro zu erhöhen, um S 21 zu retten, allerdings bisher nicht zugestimmt. Seit Mitte Dezember werden mögliche Szenarien untersucht, zu denen auch der Ausstieg gehört.