In der Tageszeitungsbranche zeigen sich die Gewerkschaften gespalten: Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) befürwortet den Tarifkompromiss mit den Arbeitgebern – Verdi lehnt ihn bisher ab. Dort will man die Mitglieder entscheiden lassen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Fortgang von Tarifverhandlungen hängt vor allem von zwei Faktoren ab: Je besser die wirtschaftliche Lage der Branche und je stärker die Gewerkschaften, desto schneller können sich die Tarifparteien verständigen. Für den Tarifpoker in der Tageszeitungsbranche bedeutete dies allerdings, dass es seit Januar quälende sieben Verhandlungsrunden brauchte, um in der Nacht zu Montag in Hamburg eine Einigung zu erzielen, die letztendlich nur eine Teileinigung ist.

 

Nun sollen die Gehälter der 13 000 Zeitungsredakteure rückwirkend zum 1. Mai um 1,9 Prozent angehoben werden – hinzu kommen einmalig 500 Euro. Ein Jahr später gibt es weitere 2,4 Prozent oben drauf und zum 1. März 2020 eine Einmalzahlung von 600 Euro. Gut für die Nachwuchswerbung: Abweichend erhalten Berufseinsteiger sofort einen Mindestzuwachs von 135 Euro (4,15 Prozent), und auch Volontäre profitieren überproportional. Der neue Gehaltstarifvertrag endet am 31. Juli 2020.

Viele Streiktage – auch in unserer Zeitung – waren nötig, um den Arbeitgebern diese Steigerungen abzuringen. Dass die Streiks zu Ende sind, ist aber noch nicht garantiert. Denn nur eine der zwei beteiligten Gewerkschaften hat zugestimmt – die andere nicht. Dies hat es in der Tarifgeschichte der Branche wohl erst zweimal gegeben.

Hauptsache, den Flächentarifvertrag gesichert

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) plädiert für den Kompromiss, denn er sieht dadurch den Flächentarifvertrag gewahrt. Ein fortgesetzter Arbeitskampf könnte immer mehr Verlagshäuser vertreiben, so die Logik. Befürchtet wird, dass dann künftige Streikbewegungen in immer weniger Redaktionen durchgeführt werden müssten, was die Durchsetzungsfähigkeit weiter schwächen würde. Zudem hielt der DJV den aktuellen Arbeitskampf dem Vernehmen nach für ausgereizt und ein besseres Resultat damit für unrealistisch.

Dennoch hebt in den Redaktionen eine Diskussion darüber an, ob der DJV den Arbeitgebern zu weit entgegen gekommen ist. Die Verhandlungskommission der Journalisten-Union (DJU) in Verdi hat es jedenfalls in der Nacht einstimmig abgelehnt, einen solchen Abschluss zu empfehlen. 4,3 Prozent mehr Geld ergeben bei einer 31-monatigen Laufzeit lediglich mit viel Zahlenakrobatik einen Ausgleich für die Inflationsrate, die im Juni 2,1 Prozent betrug. Denn die Einmalzahlungen werden nicht in die Lohntabellen eingearbeitet und wirken damit nicht dauerhaft. Landesfachbereichsleiter Siegfried Heim nennt eine Steigerung von 2,2 bis 2,3 Prozent im ersten Jahr und 1,8 Prozent im zweiten Jahr.

Das Ziel der Tarifrunde sieht Verdi klar verfehlt, was vor allem mit der Einmalzahlung von 600 Euro im Jahr 2020 begründet wird. Diese nähre auf Arbeitgeberseite die Hoffnung, in dem Jahr praktisch gar keine Tabellenerhöhung zahlen zu müssen. Unterm Strich ist das Resultat für Verdi eine Abkehr von der Zusage, den Reallohn der Redakteure zu steigern. Es sei nun eine Frage der Glaubwürdigkeit, das Urteil der Mitglieder einzuholen, die in der Urabstimmung für Streik votiert hatten. Die Verantwortung wird also an die Basis weitergereicht. Die Befragung dürfte in der übernächsten Woche erfolgen. Das Quorum ist niedrig: Lediglich 25 Prozent der betroffenen Verdi-Mitglieder müssen für eine Annahme stimmen. Eine Fortsetzung des Arbeitskampfes ist damit unwahrscheinlich, zumal sich die Mobilisierung wegen der konträren DJV-Haltung praktisch kaum aufrecht erhalten lässt.

Seit vielen Jahren kaum Reallohnsteigerungen

Die Teileinigung steht damit in der Kontinuität früherer Abschlüsse, die den Redakteuren ebenso keine deutliche Reallohnsteigerungen gebracht haben. Das hat einen zentralen Grund: Um die Wirtschaftslage der Zeitungsbranche ist es seit Langem nicht so gut bestellt wie in der Metall- und Chemieindustrie oder im öffentlichen Dienst. Viele Zeitungshäuser kämpfen aufgrund der Digitalisierung mit sinkenden Auflagen sowie Anzeigen- und Vertriebserlösen. Vor diesem Hintergrund hat sich die Defensivstrategie speziell der Verlegerverbände aus dem Norden – die in den Tarifrunden verstärkt auf Konfrontation setzen und die moderater gestimmten Verbände im Süden bremsen – aus Arbeitgebersicht wieder einmal ausgezahlt.