Gegen Ende der Woche entscheidet sich, ob die Fluggastkontrolleure im neuen Jahr streiken könnten. Bei den sich zuspitzenden Tarifverhandlungen geht es nicht nur um höhere Löhne, sondern auch um strukturelle Reformen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Eine Chance besteht noch am 20. und 21. Dezember, den Konflikt friedlich zu lösen. Doch die Gewerkschaften sitzen an einem machtvollen Hebel, denn sie haben in der Fluggastkontrolle ein starkes Mobilisierungsfeld entdeckt. Somit könnte es nach der vierten Verhandlungsrunde für die 23 000 Beschäftigten zu Stillstand und Chaos im Sicherheitsbereich der Flughäfen kommen. Ein Überblick.

 

Streiks erst nach den Weihnachtsferien? „Die Streikwahrscheinlichkeit im nächsten Jahr ist unbedingt vorhanden“, sagte Walter Schoefer, Sprecher der Geschäftsführung am Stuttgarter Flughafen, unserer Zeitung. Dann könnten die Gewerkschaften ihre Machtposition ausnutzen und „sich massiv in Stellung bringen“. Arbeitsniederlegungen an derart neuralgischen Stellen, wo eine eigene Ausbildung und Zulassung erforderlich sind, sind für den Arbeitgeber nicht durch Leiharbeitskräfte zu kompensieren, und auch die zuständige Bundespolizei wäre wohl keine Hilfe. „Wenn es zum Streik kommt, trifft es nicht nur die Passagiere, sondern auch die Flughäfen hart“, prophezeit Schoefer.

Zunächst planen Verdi und der Beamtenbund am Donnerstag und Freitag Aktionstage, um weitere Mitglieder zu werben. „Wir wissen, dass wir sehr schnell aktionsfähig sind“, sagt ein Verdi-Sprecher. Die Organisationskraft habe sich deutlich verbessert. Am 31. Dezember läuft die Friedenspflicht aus. „Sie können davon ausgehen, dass wir unseren eigenen Leuten den Urlaub nicht kaputt machen wollen.“ Mit anderen Worten: Arbeitsniederlegungen sind frühestens Mitte Januar geplant.

Eine Eskalation in diesem Bereich wäre kein Novum: In guter Erinnerung sind die bisher letzten Streiks zum Jahreswechsel 2012/2013 und im Januar/Februar 2015.

20 Euro je Stunde für alle Kontrolleure? Verdi zufolge bietet der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) bisher ein Lohnplus von 1,8 Prozent pro Jahr über drei Jahre an – was sich unterhalb der Inflationsrate bewege. „Damit kommen wir gar nicht klar“, heißt es von der Gewerkschaft. „Da muss sich die Arbeitgeberseite noch heftig bewegen.“

Zudem fordert Verdi praktisch für alle Kontrolleure einen einheitlichen Bruttostundenlohn von 20 Euro. Weil bislang regional unterschiedlich bezahlt wird, würde dies für Baden-Württemberg einen Lohnzuwachs von 17 Prozent bedeuten und in Ostdeutschland bis zu 36 Prozent. Schoefer warnt: „Das hat den Charakter einer Kampfansage, weil es gravierende Auswirkungen auf das Tarifgefüge in den Flughafengesellschaften hat.“ Bei den Kontrollen von Passagieren sowie Personal und Waren handele sich um eine angelernte Tätigkeit, die in Baden-Württemberg mit bis zu 17,16 Euro Grundlohn vergütet werde.

Das bedeutet: Diese Kräfte haben zwar nur eine sechs- bis achtwöchige Ausbildung, werden aber bezahlt wie Beschäftigte nach einer dreijährigen Fachausbildung und mit einigen Jahren Berufserfahrung. Ein Unding, wie der Geschäftsführer meint. 20 Euro Grundlohn entsprächen sogar der Eingangsvergütung für einen Ingenieur mit FH-Studium. „Man kann sich ausmalen, was es für die Rekrutierung in den angestammten Berufen am Flughafen bedeutet.“ Dann wäre es fraglich, wie sich Mitarbeiter am Check-in-Counter mit einem Grundlohn von elf, zwölf Euro gewinnen lassen, während einige Meter weiter die Fluggastkontrolleure mit 20 Euro vergütet werden.

„Das Lohngefälle wird für uns zunehmend zum Problem“, sagt Schoefer mit Blick auf den Fachkräftemangel. Im Bereich der harten gewerblichen Arbeiten auf dem Vorfeld oder bei Schichtdiensten sei dieser unverkennbar. Verdi wendet ein, dass auf allen großen Flughäfen mehr als 17 Euro vergütet würden. In NRW zahle die Firma Kötter schon bis zu 19,50 Euro.

Steigen dann die Ticketpreise? Alle Luftsicherheitsassistenten und Kontrollkräfte bei der Personal- und Warenkontrolle gleich zu bezahlen käme einer Aufwertung der niedriger eingestuften Beschäftigten in der Warenkontrolle gleich. Geschäftsführer Schoefer lehnt eine Zusammenführung nicht generell ab. Die Flughäfen wünschten sich schon lange, dass die Ausbildung zwischen Passagier- und Warenkontrolle vereinheitlicht wird. „Die Effizienzpotenziale wären größer, als wenn man etwas mehr Lohn bezahlen würde“, sagt er. Es würde den Flughäfen in Spitzenzeiten einen flexiblen Personaleinsatz erlauben, aber auch die Personalkosten erhöhen – womöglich auch die Ticketpreise: „Da reden wir über Centbeträge“, beruhigt der Verdi-Sprecher die Kritiker. „Wenn der Passagier dann 20 Cent mehr bezahlt fürs Ticket und dadurch schneller durch die Sicherheitsschleuse kommt, ist es auch okay.“

Derzeit hat der Stuttgarter Flughafen mehr als 450 Kontrolleure: Im Bereich Paragraf fünf des Luftsicherheitsgesetzes (Kontrolle der Fluggäste) sind bis zu 400 Kräfte in Spitzenzeiten tätig. Dort arbeitet der Flughafen mit der Sicherheitsfirma Frasec zusammen. Im Bereich Paragraf acht (Personal- und Warenkontrolle) sind es 160 eigene Kräfte und Securitas-Angestellte. Um die Tätigkeiten neu zu standardisieren, müsste das Bundesinnenministerium allerdings einen neuen Ausbildungsrahmen setzen.

Kommt der bundesweite Flächentarif? Auch der Wunsch nach einem Flächentarifvertrag, der alle regionalen Tarife vereinheitlicht, könnte beide Seiten zusammenführen. „Das kann positiv zur Sozialpartnerschaft beitragen“, meint Schoefer. Verdi moniert jedoch die Unentschlossenheit der Gegenseite: „Die Arbeitgeber sagen zwar, dass sie einen bundeseinheitlichen Tarifvertrag wollen, legen dann aber für jedes Bundesland einzelne Tarife vor – das kann es nicht sein.“ Es reiche nicht aus, über die alte Struktur nur ein neues Dach zu setzen.