Der Tarifpoker der Stuttgarter Straßenbahnen AG geht am Donnerstag in eine neue Runde. Verdi droht mit Aktionen am Wochenende.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die bisherige Annäherung von Arbeitgebern und Gewerkschaft hat noch nicht ausgereicht, um den Tarifkonflikt im baden-württembergischen Nahverkehr beizulegen. Nach gut fünfstündiger Verhandlung hatten sich die Kontrahenten am Montag auf Donnerstag im Verwaltungszentrum der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) in Möhringen vertagt.

 

Sollte dann noch immer keine Einigung möglich sein, ist vom Wochenende an erneut mit Streiks der Bus- und Stadtbahnfahrer zu rechnen. Die Verkaufsstellen und Kundencenter sowie der Zentrale Servicedienst der SSB werden ohnehin bis auf Weiteres bestreikt.

Meinungsunterschiede bei der Anerkennung betrieblicher Wegezeiten

Die größte Differenz besteht noch bei der Jahressonderzahlung - dem Streitpunkt, bei dem es um spürbar mehr Geld für die Beschäftigten geht. Verdi fordert eine Anhebung auf 100 Prozent plus das bisherige Urlaubsgeld. "Da machen die Arbeitgeber die Schotten dicht", sagte Verdi-Verhandlungsführer Rudolf Hausmann der StZ. Weil die Gegenseite Weihnachts- und Urlaubsgeld miteinander verschmelzen und zugleich einen Teil des Urlaubsgeldes kürzen will, sind beide Seiten an der Stelle etliche Hundert Euro auseinander.

"Obwohl wir", wie Hausmann sagt, "eine Menge Kompromisssignale ausgesandt haben", bestehen auch erhebliche Meinungsunterschiede bei der Anerkennung betrieblicher Wegezeiten, die ein Fahrer ohne Entlohnung etwa von der Endhaltestelle zum Depot zurücklegt. Dritter Knackpunkt ist die Beschäftigungssicherung, die nicht so sicher ist, wie Verdi angenommen hatte.

Minibonus herausgeschlagen

Eine Übereinkunft hingegen gibt es - unter dem Vorbehalt der Gesamteinigung - bei den zwei zuletzt umstrittensten Themen: So bekommt die Gewerkschaft nicht die geforderte Vorteilsregelung für ihre Mitglieder, jedenfalls nicht im juristischen Sinn. Praktisch konnte wenigstens ein Minibonus herausgeschlagen werden.

Der Kompromiss besagt, dass der Arbeitgeber jedem Beschäftigten - ob Gewerkschaftsmitglied oder nicht - 25 Euro im Jahr entweder für eine Berufshaftpflichtversicherung oder für die "Gewerkschaftliche Unterstützungseinrichtung für Verkehrsteilnehmer" (GUV) zahlt. Die GUV bietet den Fahrern laut Hausmann Leistungen weit über denen einer normale Versicherung an und hat den dreifachen Wert des Beitrags, steht aber nur Gewerkschaftsangehörigen offen. "So kriegen unsere Leute eine echte Absicherung für alle möglichen Schäden innerhalb der Arbeits- und Wegezeit." Im Gegenzug lässt die Gewerkschaft ihre Forderung fallen, dass jedes Mitglied monatlich 50 Euro für die Altersversorgung erhalten solle. Verständigt haben sich die Tarifparteien auch auf einen Weg, um künftig mehr tarifliche Eigenständigkeit zu erlangen. Die Gewerkschaft hatte ursprünglich einen eigenen Tarifvertrag nur für den Südwesten verlangt. Auch dieser Wunsch bleibt - vorerst - unerfüllt.

Streikaktionen im Fahrerbereich

Festgelegt wurde aber, bis Juni 2012 die Verhandlungen über neue Entgeltstrukturen abzuschließen. Bis Mitte 2013 soll ein Demografie-Tarifvertrag ausgehandelt werden, falls es keine Bundesregelung gibt. Und bis Juni 2014 ist der Paragraf kündbar, der die Anbindung des baden-württembergischen Nahverkehrs an den Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst (TVÖD) vorsieht. Ob es dazu kommt, lässt Verdi aber offen.

Am Donnerstag um elf Uhr geht es weiter. Hausmann warnt: Wenn es dann erneut kein Ergebnis gebe, werde es nach der zurückhaltenden Strategie seit Mitte voriger Woche am nächsten Wochenende wieder Streikaktionen im Fahrerbereich geben.