Der Tarifkonflikt für das private Omnibusgewerbe im Südwesten steht vor dem Durchbruch – dennoch macht Verdi noch mal mit Streiks Druck auf die Arbeitgeber.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der sich quälend hinziehende Tarifkonflikt im privaten Omnibusgewerbe steuert auf das Finale zu. Am Freitag machte die Gewerkschaft Verdi nochmals Druck: Nach einer frühmorgendlichen Aktion in Heidenheim war am Nachmittag die Firma Spillmann in Bietigheim-Bissingen von einem zweistündigen Streik betroffen, in der nächsten Woche folgen etliche weitere Aktionen. Die Stillstände kommen ohne Vorwarnung, weshalb Kunden vergeblich an der Haltestelle warten dürften. Die Zeiten sind von Verdi bewusst so gewählt, dass Schüler und Pendler kaum beeinträchtigt werden.

 

Die Bezahlung der Standzeiten ist offen

In neun Verhandlungsrunden haben sich die Gewerkschaft und der Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) nicht auf eine Reform des Manteltarifvertrags einigen können. Nun soll am 29. Oktober eine Lösung her. Diese erscheint durchaus realistisch, da der Konflikt im Kern geeint ist, wie es aus Verhandlungskreisen heißt. Allerdings gibt es noch eine letzte Hürde zu überwinden: die Entlohnung der Standzeiten. Umstritten sei nach wie vor die bezahlte Schichtzeit, sagt der WBO-Verhandlungsführer Horst Windeisen. Bei der Neugestaltung von Tarifgruppen und den Zuschlägen seien hingegen Lösungen gefunden.

Verdi rühmt die eigene Geduld

Betroffen vom Tarifkonflikt sind 9000 Fahrerinnen und Fahrer. Schon vom 13. bis 15. September hatten sich mehr als 800 Beschäftigte aus rund 20 Streikbetrieben an dreitägigen Arbeitsniederlegungen beteiligt – betroffen waren auch viele Stadtverkehre im Großraum Stuttgart. Als Zeichen des Einigungswillens und wegen der für alle Beteiligten schwierigen Coronalage hatte Verdi auf weitere Streiks verzichtet. Man habe genügend Geduld bewiesen, heißt es.

Mehrere Stunden an unbezahlter Pausenzeit

Üblicherweise dauern die Schichten der Buschauffeure zehn bis 14 Stunden, wovon laut Verdi meist zwischen sieben und elf Stunden bezahlt werden. Viele fahrbedingte Pausen zwischen 15 Minuten und mehr als einer Stunde summieren sich zu unbezahlten Arbeitszeiten von mehr als zwei oder drei Stunden, die an Endhaltestellen, auf Busbahnhöfen und dem Betriebshof verbracht werden. Daher müsse, so Verdi, die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts von 2016 umgesetzt werden, nach der regelmäßig mehr als eine Stunde unbezahlter Pausenzeit in einer Schicht nur aus guten Gründen zulässig ist. Die Arbeitgeber, so der Vorwurf, wollten die „gängige Praxis weitgehend legalisieren“. Unbezahlte Standzeiten seien aber ein Hauptgrund, warum überall Personal fehle, betont die Verhandlungsführerin Hanna Binder. Mehr ÖPNV gebe es nur mit besseren Arbeitsbedingungen – für eine Verdoppelung bis 2030 brauche es doppelt so viele Fahrer wie heute.

Der hohe Spritpreis plagt die Busunternehmen

Heute schon würden unproduktive Arbeitszeiten bezahlt, nur nicht in dem von Verdi verlangten Umfang, kontert der WBO. Er verweist auf die ungünstigen Rahmenbedingungen: Nach wie vor seien die Fahrgastzahlen wegen der Pandemie niedrig, und der hohe Spritpreis belaste die Firmen mit Zusatzkosten. Eine weitere Erschwernis steht schon vor der Tür: Der Lohntarifvertrag hätte mit Wirkung zum 1. Oktober gekündigt werden können. Die unabsehbaren Kosten daraus könnten nicht ausgeblendet werden.